Über das Wetter, den Strom und das Ankommen – Incredible India!
Auch an meinem zweiten Tag wird Jaisalmer nicht von einem Gewitter verschont. Angesagt ist es für 17 Uhr. Laut Wetter App. Da ich dringend noch Geld benötige, beschließe ich gegen 14 Uhr, von der Burg hinabzusteigen, um in der Stadt Geld zu holen. Ich stelle fest, dass die mir bekannten Geldautomaten außer Betrieb sind.
Wundern tut es mich nicht. Woran es liegt, ist im Prinzip auch egal. Vielleicht hängt es mit den Stromausfällen zusammen, die stündlich hier geschehen. Vielleicht auch nicht.
Ich rufe meinen Fahrer an, um ihn zu fragen, ob er noch einen Geldautomaten kenne, bevor ich mich völlig sinnlos in das Straßengewirr der Stadt begebe. Er kann mir nur zur Wechselstube raten, bittet mich aber darum, ihn anzurufen, um ihm den Wechselkurs mitzuteilen. Dieser ist denkbar schlecht. Es wird sich bereits herumgesprochen haben, dass die Geldautomaten nicht funktionieren. Kurzerhand treffe ich Gurmeet vor dem Gate zur Burg und er übergibt mir ein paar Scheine, um meine Unterkunft bezahlen zu können. Wir gehen einen Tee trinken, quatschen ein wenig und dann bricht es los. Gewitter Nummer 1. An diesem Tag.
In einer niemals wollenden Heftigkeit. Der Straßenverkehr liegt lahm. Der Strom fällt aus. Die Wassermassen strömen auf den Straßen. Ein System, um die Regenmassen aufzufangen, gibt es nicht. Einige Menschen suchen Schutz in den kleinen coffee shops. Einige Männer ziehen ihre Hemden aus und stellen sich auf die Straße. Wieder andere stellen sich unter Häuserdächer, auf denen eine ganze Wasserfontäne herunterbricht und duschen sich. Andere versuchen, sich auf ihren Roller trotzdem irgendwie durchzukämpfen.
Ich habe kein Problem mit Regen. Den Aufstieg auf die Burg würde ich aber aufgrund der mir entgegenströmenden Wassermassen nicht schaffen. Nicht in Flip Flops. Wir warten eine Weile. Als das erste Gewitter durch ist und der Regen etwas nachlässt, nehme ich ein Tuk Tuk, um auf den Platz im Zentrum der Burg zu gelangen.
Als ich auf dem Vorplatz bin, bricht es erneut los. Gewitter Nummer 2. Ich ziehe meine Schuhe aus, laufe die kleinen, verwinkelten Gassen durch. Schnell kann ich nicht laufen. Die Steine sind rutschig. Da die Straßen schmal sind, sind die Wassermassen nicht ganz so heftig wie unten und ich komme einigermaßen voran. Auf der Dachterrasse meines Guesthouses treffe ich den jungen Besitzer. Trotz des Regens steht er dort mit einem Wischer in der Hand. Er begrüßt mich mit einem freudigen Hallo, wirft die Arme in die Höhe. Aufgrund der Lautstärke des Regens kann ich kaum verstehen, was er zu mir sagt. Ich stelle meine Tasche im Trockenen ab, wische mir mein Gesicht ab, kann es nicht fassen, was dort vom Himmel herunterkommt.
Er ruft mir zu: „Come, come!“ Ungläubig schaue ich ihn an, schaue auf den Regen. „Come! It frees your mind!“ Erneut schaue ich ungläubig. Scheiß drauf. Nass bin ich sowieso. Und zusammen tanzen wir mit dem Wischer im Regen. Auf den Dächern um uns herum sehen wir andere tanzende Menschen.
Als der Regen nachlässt, gehe ich klatschnass auf mein Zimmer. Der Strom funktioniert nach wie vor nicht. Es ist mir mittlerweile egal. Mein Handy ist fast komplett leer. Auch das ist mir egal. Meine Powerbank für mein Notebook hatte ich an den Strom gehängt, bevor ich das Zimmer verlassen hatte. Es ist weit entfernt von geladen. Egal. Ich setze mich in meinen nassen Klamotten auf das Sofa auf meinem kleinen Balkon. Da ich vergessen hatte, das Balkonfenster zu schließen, trieft es vor Nässe. Egal.
Und während ich das Treiben, das nun langsam wieder auf der Straße unter mir einzusetzen zu scheint, beobachte, bricht das nächste Gewitter los. Gewitter Nummer 3. Ich höre und kann förmlich sehen, wie sich der Regen von der Wüste her auf die Burg zubewegt. Erneuter Stillstand auf den Straßen. Erneute Stille auf den Straßen, weil die Lautstärke der herunterprasselnden Regentropfen alles übertönt. Ich sitze. Und lausche. Und schaue. Und so schnell wie es gekommen ist, ist es wieder vorbei. Der Himmel klart auf. Die Straßen werden wieder trocken. Ich sitze und lausche und schaue immer noch.
Ich beschließe, duschen zu gehen. Im Dunkeln. Im Dunkeln suche ich meine Taschenlampe aus meinem Rucksack heraus. Bahne mir meinen Weg Richtung Badezimmer. In frischer Kleidung nehme ich mir einen Hocker und setze mich erneut auf meinen Balkon. Langsam wird es auch draußen dunkel. Ich beobachte das Leben auf der Straße unter mir. Ich sehe ein Pferd, das angebunden an einen Pfahl steht. Ich sehe Schweine, die den Dreck an den Straßen durchwühlen. Ich sehe Kühe. Sie überqueren völlig unbeirrt vom Verkehr die Straße. Fledermäuse fliegen vor der Burg herum. Ab und an ertönt eine Hupe. Ich sitze. Und lausche. Und schaue.
Und plötzlich schaltet sich mein Deckenventilator ein. Der Strom ist wieder da… incredible India!