Sarajevo Teil 2: Ein Tunnel, zwei Burgen und zig Friedhöfe
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Als ich an meinem ersten Tag in Sarajevo nach meinem Besuch der Altstadt die Miljacka, den Fluss, der durch die Stadt fließt, entlang spaziere, fällt mein Blick sofort auf die beiden Hügel, die sich dort am Rande des Stadtkerns befinden. Eine weiße Burg. Eine gelbe Burg. Kreativ waren die Namensgeber nicht unbedingt bei der Vergabe der Namen der Burgen, denn die beiden heißen tatsächlich white bastion und yellow bastion.
Ein Blick in Google Maps verrät mir, dass sich in der Nähe der Burgen jeweils einige Grünflächen befinden. Schön, denke ich. Und suche die Hügel nach diesen Grünflächen ab.
Was meine Augen jedoch ausmachen sind nicht etwa Parkanlagen an den Burghängen. Ich sehe weiße Säulen. Viele weiße Säulen. Ein ganzes Meer an weißen Säulen. Mir stockt der Atem.
Ich zoome weiter in die Karte von Google Maps hinein, um zu erfahren, was sich dort befindet. Und meine Befürchtung bewahrheitet sich. Es ist unter anderem der Memorijal Kovaci.
Der Memorijal Kovaci
Der Memorijal Kovaci ist einer der zahlreichen Friedhöfe, die sich in der Stadt befinden. Ein riesen großer Friedhof. Wahrscheinlich der größte der Stadt. Er befindet sich Luftlinie direkt unterhalb der weißen Burg und führt wiederum – wie ich jetzt weiß – direkt zur gelben Burg hinauf. Es ist der Hauptfriedhof der Soldaten der Bosnischen Armee, die dort begraben sind und die ihr Leben während des Bosnienkrieges verloren haben.
Die Grabsteine – so unterschiedlich sie aufgrund der Namen und Geburtsjahre, die in sie eingemeiselt sind, wirken mögen – haben eine große Gemeinsamkeit: Die Sterbejahre liegen alle zwischen den Jahren 1992 und 1995.
Ich bahne mir meinen Weg Richtung Burg. Immer der Straße entlang. Hoch. Hoch. Hoch. Meine Oberschenkel brennen. Langsamer zu werden kommt gar nicht in Frage. Dann komme ich ja nie an. Ich beginne zu schwitzen. Mein Puls rast. Und weil ich vor lauter keuchen und schwitzen und mit mir und meinem Wehleiden beschäftigt bin, achte ich nicht mehr auf die Karte und verliere mich im Wohngebiet auf dem Burghang.
Und als ich oben am Burghang entlang laufe und davon ausgehe, dass es nun nicht mehr weit sein kann, höre ich Musik. Laute Musik. Von weitem hallt sie mir entgegen. Es wirkt geradezu bizarr. Musik. In dieser Umgebung.
Meine Schritte nehmen automatisch die Geschwindigkeit zum Rhythmus der Musik an. Als ich schließlich das Café ausmache, aus dem die Musik zu hören ist, singe ich schon längst die zweite Strophe mit…
(Together) We will leave someday
(Together) Your hand in my hand
(Together) We will make our plans
(Together) We will fly so high
(Together) Tell all our friends good-bye
(Together) We will start life new
(Together) This is what we’ll do(Go West) Life is peaceful there
(Go West) In the open air
(Go West) Where the skies are blue
(Go West) This is what we’re gonna do
Die Gelbe Burg (Yellow Bastion)
Ganz ehrlich, wäre ich für die Burg hier hochgelaufen, ich wäre ordentlich enttäuscht gewesen. Wenn du meine vergangenen Beiträge und meinen bisherigen Roadtrip ein wenig verfolgt hast, dann weißt du, dass ich der Burgen mittlerweile wirklich überdrüssig bin, sondern nur noch für tolle Aussichten einen Hang besteige.
Denn die Yellow Bastion kann in der Tat nichts. Sie steht da halt rum. Wirft ein wenig Schatten. That’s it. Aber die Aussicht von hier oben am frühen Vormittag ist toll!
Durch den kleinen, schmalen Friedhofsweg laufe ich wieder runter in die Stadt. Den Weg hätte ich mal hochlaufen sollen! Der wäre nämlich definitiv kürzer gewesen als mein Rumgeeiere durch die Straßen und entlang des Burghanges. Aber ich hatte von unten nur einen Teil des Weges gesehen – und aufgrund des Umweges nun so viel mehr…
I think, it’s time for coffee…
… und zwar im Baklava Shop Sarajevo. Es ist eine relativ spontane Entscheidung, hier zu pausieren. Eigentlich wollte ich mir ein paar Baklava einpacken und mich dann in ein Café in der Sonne setzen.
Und von hier aus geht es noch einmal quer durch die Fußgängerzone, vorbei an Straßenverkäufern und Straßenkünstlern, …
… vorbei am Meeting of Cultures…
… bis zur Markthalle.
Sarajevos Markthalle
Das Gebäude, in welchem sich die Markthalle befindet, sieht eigentlich aus wie ein riesiges Theater. Oder ein Rathaus. Oder irgendetwas anderes Wichtiges. Aber ganz sicher nicht wie ein Ort, an dem Gemüse, Käse, Fleisch und Wurst verkauft wird.
Wird es aber und genau deswegen solltest du da unbedingt rein und dich durchtesten, denn gerade die unterschiedlichen Sorten an Salami schmecken alle super lecker – auch dann, wenn du erst ein paar Minuten zuvor Baklava verdrückt hast. 😉
Leider ist es wie bei vielen Gebäuden in Sarajevo so, dass auch dieses Gebäude eine traurige und dunkle Vergangenheit besitzt. Zwei sogar. Denn zwei Massaker geschahen hier während der Belagerung von Sarajevo.
Das erste Massaker geschah im Februar 1994, als dort ein Geschoss detonierte und fast 70 Menschen in den Tod riss. Das zweite Massaker geschah im August 1995.
Die Ewige Flamme
Und natürlich komme ich nicht umhin, auch der Ewigen Flamme einen kurzen Besuch abzustatten, bevor ich mich am Ende der Fußgängerzone in eine Straßenbahn setze, um mir langsam meinen Weg zum Sarajevo Tunnel zu bahnen. Die Ewige Flamme nämlich ist ein Denkmal für alle Opfer, die Bosnien-Herzegowina aufgrund des Zweiten Weltkrieges zu verzeichnen hatte.
Das Café Tito
Einen weiteren kurzen Zwischenstopp lege ich auf halbem Wege im Café Tito ein. Hast du schon einmal zwischen Panzern, alten Zeitungsartikeln und Tito-Bildern Kaffee getrunken? Schon allein der Biergarten ist sehenswert.
Der Sarajevo Tunnel oder: The Tunnel of Life
Der Sarajevo Tunnel war der Fluchttunnel während der Zeit der Belagerung von Sarajevo. Sarajevo war rechts und links von serbischen Streitkräften eingeschlossen. Um irgendwelche Fluchtmöglichkeiten zu haben und um die Stadt versorgen zu können, wurde unter dem Flughafen ein Tunnel von circa 800 Metern gegraben. Auf diese Weise war es dann möglich, Munition, Waffen, Nahrungsmittel und Medikamente in die Stadt und Verwundete wiederum aus der Stadt zu transportieren.
Niedrig war er. Die Menschen konnten hier nur gebückt durchgehen. Und ehrlich gesagt bekomme ich hier schon nach wenigen Metern ganz ordentlich Beklemmungen.
Ich befinde mich keine fünf Minuten in diesem Tunnel und habe nur noch das Bedürfnis, so schnell wie möglich wieder rauszukommen. Und die Menschen brauchten hier vor einigen Jahren teilweise ein bis zwei Stunden, um den kompletten Tunnel durchzulaufen…
…und dabei leide ich weder an Klaustrophobie noch habe ich auch nur den Hauch einer Befürchtung, dass das Holz über mir einbrechen und ich lebendig begraben werden könnte.
Es ist die Kombination aus der düsteren Atmosphäre und des Wissens darüber, was hier vor zwei Jahrzehnten, im ausgehenden 20. Jahrhundert, geschehen ist…
Wissenswertes zu den Stationen an diesem Tag
Transfer zum Tito Café
Um zum Tito Café zu gelangen, kannst du die Straßenbahnen (1,80 BAM pro Strecke – es gibt keine Zonen) 3 oder 4 bis zur Tehnicka Skola fahren. Auf der anderen Straßenseite liegt das Geschichtsmuseum Bosnien-Herzegowinas (Eintritt 5 KM – kann man machen, muss man aber nicht, man ist in 3 Minuten durch). Du gehst auf dem kleinen Weg links des Museums vorbei. Hinter dem großen Gebäudekomplex ist der Eingang zum Cafe Tito.
Transport zum Sarajevo Tunnel
Du nimmst erneut die Straßenbahnen 3 oder 4 und fährst bis zur Endstation Ildiza (Sara Shopping Mall). Dort ist ein großes Busterminal. Auf Plattform 4 fährt der Bus 32a ab, der dich direkt zum Sarajevo Tunnel bringt. Solltest du dir unsicher sein, gibt es gegenüber von der Endstation, wo du aus der Straßenbahn aussteigst, einen kleinen, nahezu unscheinbaren Informationsschalter an der Ecke.
In der Theorie ist die Idee mit dem Bus durchaus gut. Sie scheitert bei mir jedoch in der Umsetzung. Denn Bus, finish today! erklärt man mir am Infoschalter. Aufgrund einer aufgerissenen Straße fahre an diesem Tag kein Bus zum Sarajevo Tunnel. Ich wittere natürlich sofort einen Tourinepp. Nachdem man sich aber intensiv mit mir auseinandersetzt, welche Busse ich als Alternative nehmen könnte, zweifle ich sehr schnell keine Sekunde mehr an diesem Umstand.
Da ich nicht mit einem anderen Bus und im Anschluss daran noch circa 25 Minuten laufen möchte, entscheide ich mich, mich vom Taxi für 5 Euro zum Sarajevo Tunnel bringen zu lassen. Der Taxifahrer war so nett und hat vor dem Tunnel auf mich gewartet.
Und für alle, die wie ich gezweifelt haben: Diese Baustelle gab es tatsächlich. Ein paar Bauarbeiter hatten die einzige richtige Straße, die zum Tunnel führt, aufgerissen und mein Taxifahrer musste einen Umweg über einen kleinen Feldweg und zwei sehr schmale Straßen nehmen. Auf diesen hätte definitiv kein Bus fahren können. 😉
Übrigens, der Eintritt in den Tunnel kostet 10 KM. Es werden nur BAM (keine Euros!) und auch nur Bargeld akzeptiert. Gegenüber des Tunnels ist ein Exchange Büro. Ob das nun aber täglich geöffnet hat, weiß ich nicht. Weitere Infos, wie beispielsweise die Öffnungszeiten etc. findest du auf der Homepage des Sarajevo-Tunnels.
Rückweg in die Altstadt
Da der Weg aus der Altstadt heraus eine Einbahnstraße ist und dies auch für die Straßenbahn gilt, kommst du unten am Fluss wieder raus.
Mostar – Trebinje – Sarajevo: Altstadt von Sarajevo / Sarajevo Tunnel –
Meine Highlights in BiH – Meeting of Cultures: Die Menschen in BiH – Fotoparade 2-2017