Leben und arbeiten in Guatemala – one day in the life of…
One day in the life of… Leben und arbeiten in Guatemala
Oder: Der ganz normale tägliche Wahnsinn 😉
In den vergangenen Monaten haben mir meine Lieben immer wieder folgende Fragen gestellt: Was machst du denn da eigentlich im Ausland? Ganz normal unterrichten oder was? Und was machst du den ganzen Tag? Wann musst du morgens aufstehen? Unterrichtest du da nur? Wie sieht denn dein Tag so aus?
Heute möchte ich auf all diese Fragen versuchen, eine Antwort zu geben, indem ich dir einen ganz normalen Tag beschreibe.
05:00 Uhr:
Auch wenn mein Wecker auf 05:45 Uhr gestellt ist, bin ich früher wach. Die eingestellte Uhrzeit auf dem Wecker dient mittlerweile nur noch dazu, um sicher zu gehen, nicht doch zu verschlafen. Für gewöhnlich stehe ich jedoch allerspätestens um 5 Uhr auf, mache mir meinen ersten Kaffee, kuschle mich mit diesem noch einmal ins Bett und checke die Nachrichten, die über Nacht rein gekommen sind. 5 Uhr morgens bedeutet 13 Uhr deutsche Zeit und demnach eine sehr gute Zeit, um mit meiner family oder meinen Freunden eine Runde zu kommunizieren.
05:15 Uhr:
Nachdem die wichtigste Kommunikation beendet ist, stehe ich auf, hole mir einen zweiten Kaffee und checke meine to do-Liste für den Tag. Zahlreiche Punkte stehen bereits auf der Liste, aber ich weiß allzu gut: Es ist Montag, die Woche beginnt erst. Die Punkte, die da im Moment stehen, werden nicht lange alleine bleiben. Und so beginne ich bereits jetzt damit, erste Punkte abzuarbeiten.
06:00 Uhr:
Ich gehe duschen, mache mich fertig und arbeite dann weiter an meiner to do-Liste.
06:30 Uhr:
Ich checke unsere Schul-App, um zu überprüfen, ob ich in meiner Freistunde heute eine Vertretung reinbekommen habe. Danach richte ich meine weitere Tagesplanung aus: Habe ich keine Vertretung, kann ich Dinge während dieser Stunde abarbeiten. Habe ich eine Vertretungsstunde, entfällt dies.
07:00 Uhr:
Wenn ich weiß, dass ich heute mein Notebook in meinen Freistunden benötige, fahre ich die wenigen Kilometer zu meiner Schule mit dem Auto. Denn auch wenn es nur 8 Minuten Fußweg sind, würde ich niemals zu Fuß mit Wertgegenständen zur Schule laufen.
Da ich mein Notebook heute jedoch benötige, verlasse ich um 7 Uhr meine Wohnung. Auch wenn es nur wenige Kilometer bis zur Schule sind und dies in Deutschland wahrscheinlich einer Fahrtzeit von 5 Minuten entspräche, verlasse ich bereits 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn meine Wohnung. Ich kann nie sicher sein, wie es genau auf den Straßen aussieht und für die Fahrt zur Schule benötige ich im schlimmsten Fall auch mal 25 Minuten.
Entscheide ich mich an einem Morgen zur Schule zu laufen, habe ich noch 15 Minuten Puffer, denn dann muss ich erst um 7:15 meine Wohnung verlassen. Innerhalb von 8 Minuten bin ich dann zur Schule gelaufen.
07:30 Uhr:
Unterrichtsbeginn ist um 07:30 Uhr bzw. genauer gesagt um 07:32 Uhr, denn – so pflege ich gerne zu sagen – meine Schule befindet sich in einer eigenen Zeitzone. Aus welchen Gründen auch immer klingelt es täglich immer 20 Sekunden später als am Vortag und da sich scheinbar niemand dazu verpflichtet fühlt, sich an einer Deutschen Schule mit deutscher Pünktlichkeit auseinanderzusetzen und für diese einzustehen, hat sich die Klingelzeit innerhalb von meinen 5 Monaten, die ich nun hier bin, mittlerweile um knapp über 2 Minuten nach hinten verzögert. Ich bin gespannt, wann ich im Oktober Unterricht haben werde.
08:17 Uhr:
Ich habe eine Freistunde. Dies ist jedoch alles andere als tatsächlich frei: Nachdem ich den Vertretungsplan gecheckt und festgestellt habe, dass ich keine Vertretung in einer anderen Klasse habe, packe ich die Papierstapel, die sich innerhalb der vergangenen 45 Minuten auf meinem Platz angesammelt habe, in meine Tasche. Ich statte der Schulleitung einen kurzen Besuch ab, weil ich ein paar andere Dinge abgeben muss, die ich über das Wochenende erledigt habe. Des Weiteren suche ich jemanden aus der Verwaltung, um noch ein paar organisatorische Dinge zu regeln. Außerdem sind einige kurze Rücksprachen bzgl. Anschaffungen notwendig (Kaufe ich die selbst? Oder gebe ich eine Bestellung auf?).
Mit anstehender großer Pause im Anschluss an die zweite Stunde habe ich nun noch knapp 50 Minuten Zeit zur Verfügung. Und so beschließe ich, das Schulgelände zu verlassen und mich in „mein“ Café direkt neben der Schule zu setzen. Der Cappuccino schmeckt hier nicht nur super, es bedeutet auch, dass ich für einige Zeit ungestört draußen sitzen und arbeiten kann.
Draußen sitzen könnte ich theoretisch auch an meiner Schule, jedoch nicht ungestört und in aller Ruhe, da an mehreren Orten auf dem Schulgelände Sportunterricht draußen stattfindet.
Im Coffee Room arbeite ich die Papierstapel durch, stelle fest, dass sich aus diesen weiterer Gesprächsbedarf ergibt.
09:25 – 12:52 Uhr:
Ich habe nun durchgängig Unterricht bis 12:52 Uhr. Wenn du aber denkst, dass ich damit dann auch tatsächlich nach Hause gehen kann, muss ich dich enttäuschen. Um 13:30 Uhr steht eine außerplanmäßige Projektsitzung an. Wie lange diese dauert, ist offen und hängt maßgeblich davon ab, wie diszipliniert und effektiv wir an unserem Projekt arbeiten, ob die Gespräche eher ausufern und auf den Punkt gebracht werden können.
13:30 – 14:30 Uhr:
Die Kommunikation läuft und die weiteren Aufgaben, die sich aus dem Projekt ergeben, wurden besprochen. Mit einer erneut vollen to do-Liste mit Punkten, die in den kommenden 48 Stunden abgearbeitet werden müssen, fahre ich schließlich nach Hause.
14:45 – 15:00 Uhr:
Kaffee, kurz ausspannen, mal kurz hinsetzen. Die Pause ist notwendig, denn mein Tag ist lange nicht zu Ende.
15:10 – 16:20 Uhr:
Da ich regelmäßig meinem Sportprogramm nachgehen möchte, entscheide ich mich für eine Runde Krafttraining. Ich bin zwar mittlerweile ziemlich müde und spüre den Tag in meinen Knochen, aber ich weiß allzu gut, dass mir der Sport gut tun wird.
16:30 – 20 Uhr:
Nach einer kurzen Pause nach dem Sport gehe ich schließlich einige der Punkte an, die noch auf meiner to do-Liste stehen. Unter anderem stehen noch Korrekturen an, denn meine 7. Klasse hat heute von 07:35 bis 11 Uhr ihr Sprachdiplom geschrieben, mit dessen Korrektur ich gerne noch beginnen möchte.
Gegen Abend trudeln dann auch weitere E-Mails von Kollegen ein. Diese enthalten manchmal Informationen über etwas, das am nächsten Tag bzw. im Laufe der Woche ansteht und bedürfen manchmal noch der direkten Beantwortung.
Nach 20 Uhr:
Kurz nach 20 Uhr lege ich mein Notebook oder meinen Rotstift zur Seite, klicke mich durch meine to do-Liste auf dem Handy, hake Dinge ab, die ich geschafft habe, gebe Dinge ein, die ich auf den nächsten Tag verlegen muss. Dann packe ich meine Tasche und bin gegen 21 Uhr dermaßen am Arsch, dass ich mich mit meinem Hörbuch in mein Bett verkrümle und gegen 22 Uhr schlafe.
Es gibt natürlich auch Tage, an denen morgens nichts ansteht…
…an denen niemand über Nacht geschrieben hat, an denen es kein Hörbuch aka Sprachnachricht am Morgen gibt, das ich mir in Ruhe anhören möchte und an denen mal nichts ansteht. Wenn ich wach und einigermaßen munter bin, stehe ich dann aber trotzdem früher auf. Warum?! – Um zum Sport zu gehen!
Gestört?! – So and so! Ehrlich gesagt finde ich es weitaus „angenehmer“, früh morgens zum Sport zu gehen anstatt am Ende eines Arbeitstages, nach welchem ich körperlich schon müde bin und mich zum Sport erst noch aufraffen muss, wo die Lust, einfach auf der Couch zu versumpfen doch viel größer ist. Das Motto bei solch einer frühen Aktion: Schnell runter zum Sport! So schnell, damit der Körper erst gar nicht merkt, was ich vorhabe! 😀
Leben und arbeiten in Guatemala – alles nur Routine?
Im Prinzip schon, denn meine Tage unter der Woche unterscheiden sich nur in wenigen Punkten: Für gewöhnlich habe ich mittwochs und donnerstags Nachmittagsunterricht bis 15:12 Uhr, bin dann erst gegen 15:30 Uhr Zuhause, absolviere dann aber noch mein Sportprogramm.
Ein wesentlicher Tag für private Angelegenheiten stellt für mich der Dienstag dar, denn dienstags ende ich bereits um 11:50 Uhr. Diesen Tag nutze ich für gewöhnlich, um meine Einkäufe und organisatorischen Dinge zu erledigen.
Aufgrund der Verkehrssituation – ab 14 Uhr gibt es kein Durchkommen mehr auf den zentralen Straßen in Guatemala Stadt – muss ich meine Einkäufe an diesem Tag oder am Sonntag erledigen. Alles, was ich dienstags in dieser Hinsicht nicht schaffe, vertage ich auf Sonntag. Denn sonntags ist die Verkehrssituation in der Stadt sehr entspannt.
Da ich aber für gewöhnlich meine Wochenenden nicht mehr in Guatemala Stadt verbringe, entfällt meistens der Sonntag für solche Dinge.
Leben und arbeiten in Guatemala
Wie du siehst, besteht ein großer Teil meiner Tätigkeiten tatsächlich darin, meine beiden Fächer zu unterrichten. Ich habe ein Deputat von 26 Unterrichtsstunden. Das ist ein wenig mehr als dies in Deutschland der Fall war. Zusätzlich kommen hier 5 Freistunden pro Woche und 4 Vertretungsstunden pro Monat hinzu. Des Weiteren eine fixe Springerstunde und eine Stunde, die ausschließlich für Elterngespräche reserviert ist., Natürlich denkst du nun: 33 Stunden Arbeitszeit an der Schule pro Woche – is ja absolut lächerlich! Für alle Nicht-Lehrer da draußen mag dies wenig klingen. Du darfst nicht vergessen, dass diese Stunden auch vorbereitet werden wollen, dass regelmäßig Klassenarbeiten und Tests geschrieben werden und dass Lehrer ihre Arbeit häufig mit nach Hause nehmen.
Zuzüglich zu meinem Deputat und meiner Präsenzzeit an der Schule kommen noch weitere Aufgabenbereiche bei mir hinzu: Ich leite aktuell den Fachbereich Englisch, d.h. ich organisiere und führe Konferenzen durch, die hier häufiger als in Deutschland stattfinden. Ich prüfe alle Klassenarbeiten und Klausuren, die meine Kollegen im Fach Englisch schreiben werden darauf, ob die Konzeption eingehalten wurde und ich genehmige die Noten der geschriebenen Klassenarbeiten und Klausuren. Ich halte mich auf Stand, was Fortbildungsangebote angeht, um ggf. Informationen darüber weitergeben zu können. Zusammen mit meiner Fachschaft führen wir beispielsweise auch neue Lehrwerke ein. Dann wird das entsprechende Material benötigt.
Und weil es in Guatemala keine Post gibt und alles irgendwie über die Botschaft geregelt werden muss, ist eine frühzeitige Planung (1 Jahr im Voraus) notwendig. Des Weiteren gibt es Konferenzen mit allen Kollegen, Fachkonferenzen für mein zweites Fach, kurze Pausenkonferenzen, in welchen schnell Dinge besprochen und umgesetzt werden müssen.
Ich bin hart im Nehmen und bekannt für meinen hohen Grad an Organisiert- und Strukturiertheit. Ich besitze ebenfalls die Kompetenz, sehr diszipliniert und konzentriert zu arbeiten. Ohne diese Skills würde ich hier regelmäßig völlig absaufen. Und trotz dieser Skills weiß ich sehr häufig bereits Mitte der Woche nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
Meine Arbeit macht mir unglaublichen Spaß. Ich liebe die Arbeit mit meinen Schülern und ich weiß die Übertragung meiner Verantwortungsbereiche sehr zu schätzen. Ich weiß auch zu schätzen, dass ich mich hier wirklich einbringen, etwas reißen und vor allem dass ich mich hier täglich selbst verwirklichen kann. All das raubt jedoch auch Energie. Eine Energie übrigens aber, die ich gerne bereit bin zu investieren, denn am Ende jedes einzelnen Tages habe ich ein gutes Gefühl und vor allem den Eindruck, dass ich heute wieder etwas Gutes beigetragen habe.
Und wenn es dann endlich auf das Wochenende zugeht,
…heißt es: packen! Denn für gewöhnlich versuche ich, mindestens jedes zweites Wochenende aus der Stadt raus zu kommen! Ob mit Arbeit oder ohne, ob mit Korrekturen oder ohne – spielt absolut keine Rolle!
Wohin es geht?! – Wenn mir nicht nach Reiseplanung ist, dann verbringe ich entweder mein Wochenende in El Paredon am Strand oder in Antigua.
Claudia
August 3, 2018 @ 5:42 pm
Hallo Manu,
vielen Dank für den spannenden Einblick. Wirklich interessant, wie dein Tag und dein Leben in Guatemala City so aussieht. Krass, dass du, wenn du Wertgegenstände dabei hast, das Haus nur mit dem Auto verlässt. Wir hatten auf unserer Weltreise auch überlegt, in Guatemala City vorbeizuschauen. Damals hatte aber ein Freund, der dort lebte (aber gerade nicht da war), geraten, nicht hinzufahren, weil es nicht sicher sei. Wir sind dann gleich weiter ins wunderschöne Antigua, an den Lago Atitlan und nach Tikal.
Dein Pensum klingt sehr ordentlich. Wahnsinn, dass du das durchhältst. Wie lange planst du denn, in Guatemala zu bleiben?
Weiterhin alles Gute jedenfalls und herzliche Grüße aus Hamburg
Claudia