Volcano Relief in Guatemala – Spendenaktion in Alotenango
Spendenaktion in Alotenango – das Dorf und die Familien
Bei Alotenango handelt es sich um ein Dorf, das in nächster Nähe zum Vulkan Fuego liegt. Anders als die Albergue in Hunapu-18, wo unsere Spendensammlung des vorangegangenen Tages hinging, zählt Alotenango nicht zu den ursprünglich 30 offiziellen Shelters, die seit dem Ausbruch des Fuego in Guatemala existierten, sondern zu einem der geschätzten über 100 inoffiziellen Shelters.
Inoffiziell bedeutet hierbei nicht nur, dass keine Versorgung stattfindet, sondern dass im Hinblick auf eine potenzielle Unterstützung durch die Regierung ebenfalls nichts geschieht. Da die Regierung jedoch bereits Ende August beschlossen hatte, die Versorgung der offiziellen Shelters nahezu vollständig einzustellen, um sich fortan weiterhin einzig um den Ausbau der RN-14, die Straße, die von Antigua nach Escuintla führt und die beim Ausbruch des Fuego komplett zerstört wurde, zu kümmern, fiel dieser Umstand nun auch nicht mehr wirklich ins Gewicht.
Für mich bedeutete dieser Umstand jedoch, dass davon auszugehen war, dass die Zustände in Alotenango noch schlimmer sind als in Hunapu-18.
Spendenaktion in Alotenango – unsere Ankunft
Da bis zum gestrigen späten Nachmittag unklar war, ob mich Mauricio auch an diesem Tag als Repräsentant der Deutschen Schule nach Alotenango begleiten können würde, hatte ich meine liebe Freundin und Fachkollegin Georgina gefragt, ob sie als Unterstützung mit nach Alotenango kommen wollen würde. Georgina – eine Seele eines Menschen und durch nichts aus der Ruhe zu bringen – hatte mir sofort zugesagt. So kam es, dass wir schließlich zu dritt auf dem Weg nach Alotenango waren.
Spendenaktion in Alotenango – die Familien
In Alotenango treffen wir 16 Familien in einem Gebäude, welches eine Schule für die “Vulkankinder” darstellen soll. Bereits nach dem ersten Blick auf das Gebäude von außen, spätestens jedoch, nachdem ich das Gebäude von innen gesehen hatte, wird mir klar: Das ist weder eine Schule noch ein Ort, an welchem man eine schöne Kindheit verbringen könnte.
Insgesamt 4 Räume bestehend aus kahlen Steinwänden und Beton-Fußboden, die eher an eine Garage erinnern als einen Ort der Zusammenkunft. Sitzgelegenheiten gibt es keine. Zwei Toiletten befinden sich im Innenbereich des Gebäudes. Aus der daneben stehenden Waschmöglichkeit fließt eiskaltes Wasser. Toilettenpapier gibt es keines.
Zunächst versammeln wir uns im Eingangsbereich des Gebäudes. Wir erhalten Informationen über die Familien, die in Alotenango leben und Opfer des Ausbruchs von Fuego geworden sind.
Der Großteil der Familie stammt aus San Miguel Los Lotes, der Ort, der Fuego am nächsten lag und beim Ausbruch völlig ausgelöscht wurde. Es sind Familien, die zwischen 3 und 6 Kinder zählen. Zwei der Familien haben sogar 8 Kinder. Größtenteils handelt es sich bei den anwesenden Frauen um mittlerweile alleinerziehende Mütter, die ihren Ehemann beim Ausbruch des Fuego und damit ihre einzige mögliche finanzielle Einnahmequelle verloren haben.
Denn in der indigenen Bevölkerung in Guatemala arbeiten für gewöhnlich ausschließlich die Männer, während die Frauen für Haushaltstätigkeiten und Versorgung der Kinder zuständig sind.
Im Unterschied zur Situation in Hunapu-18 ist es in Alotenango jedoch so, dass die Familien nicht in einer Albergue leben und ein eigenes Zimmer als Rückzugsmöglichkeit für sich haben, sondern dass sie in den Häusern von Bewohnern in Alotenango untergebracht sind.
Mauricio schaut mich fragend an. Etwas nervös übernehme schließlich ich den ersten Redeanteil. Ich berichte den anwesenden Familien darüber, dass ich aus Deutschland komme, Lehrerin an der Deutschen Schule bin, seit einigen Monaten immer wieder Freiwilligenarbeit geleistet habe, an medical pop ups teilgenommen habe. Weiterhin erzähle ich den Familien von der Wahl des Consejo Estudiantil (Schülerrat), der mich zur Verbindungslehrerin gewählt hat und damit den Startschuss für unser erstes Hilfsprojekt gegeben hat. Ich freue mich sehr, euch heute zu treffen und hoffe, dass wir euch ein wenig mit unseren Spenden helfen können.
Ich sehe in dankbare Gesichter. Ich sehe zarte Lächeln. Ich sehe leuchtende Kinderaugen. Ich sehe ganz viel Dankbarkeit. Und ich sehe Mauricio, der mich anlächelt und mir ganz dezent motivierend zunickt. Warum mir eine solche Rede am gestrigen Tag so schwer gefallen, weiß ich nicht…
Spendenaktion in Alotenango – verteilen der Spenden
Zusammen mit den Frauen und zwei Jugendlichen im Alter von 13 bzw 14 Jahren laden wir die Spenden aus dem Schulbus.
Da es in Alotenango im Unterschied zu Hunapu-18 keine Gemeinschaftsküche gibt, in welcher für die Familien gekocht wird, möchten wir die gesammelten Spenden auf die Familien verteilen.
Aufgrund der baulichen Begebenheiten und des Umstands, dass wir nicht genau wissen, wie viele Beutel Reis, Maismehl, Zucker und Co. wir tatsächlich haben, jedoch versuchen wollen, eine faire Aufteilung unter den Familien zu garantieren, entschließen wir uns dazu, die Familien in der Reihe nach aufstellen zu lassen.
Beginnend mit dem Maismehl werfen wir jeweils einen Pack Maismehl in jeden Sack der Familien. Eine zweite Runde. Eine dritte Runde. Eine vierte Runde. Bis das Maismehl aufgebraucht ist.
Weiter geht es mit den Frijoles. Erste Runde. Ein Beutel Frijoles für jede Familie. Zweite Runde. Dritte Runde…
Als schließlich alle Nahrungsmittel verteilt sind, machen wir uns an die Kleiderspenden. Die beiden Jugendlichen helfen uns dabei, rufen die Größen der Kleidungsstücke, die zur Verfügung stehen oder zeigen mir an, welche der anwesenden Frauen ein Kind im entsprechenden Alter der Kleidungsstücke haben.
Chilling on a rooftop in Alotenango?!
Nach einem intensiven Vormittag entschließe ich mich dazu, vor unserer Rückfahrt einige ruhige Minuten auf der Dachterrasse des Gebäudes zu verbringen. Von hier aus habe ich nicht nur einen geradezu magischen Blick auf Fuego, sondern leider auch einen weiteren Einblick in den Zustand des Gebäudes.
Von hier oben sieht das Gebäude noch weniger nach einer Schule aus. Die herausstehenden Eisenstäbe, die nicht vorhandenen Geländer, die Löcher in den Betondecken – all das ist weit entfernt von einem sicheren Ort für Kleinkinder.
Und während ich mich mit Mauricio über die Erfolge der vergangenen Tage unterhalte, tut es hinter mir plötzlich einen lauten Knall. Ich kenne diesen Ton. Ich kenne ihn aus den vergangenen Wochen. Ein lauter Knall, der sich in meiner Wohnung anhört wie ein Schuss. Kurz. Drohend. Heftig.
Dieser Knall scheint jedoch tief aus der Erde zu kommen. Es ist ein Grollen. Ein Rumpel. Eine Androhung. Ich bebe innerlich. Wie versteinert schaue ich Mauricio mit großen Augen an.
Don’t worry dear, this was just a thunder. Immer noch starr vor Schreck, flüstere ich leise, regelrecht nach Worten suchend: This — was — not — a — thunder, Mauricio.
Unweigerlich drehe ich mich langsam. Eine riesige Aschewolke steigt gerade von Fuego empor….
Spendenaktion in Alotenango – abschließende Gedanken
Auch wenn unsere Spendenaktion für die Opfer des Vulkanausbruchs bei einigen hier lediglich ein müdes Lächeln erzeugt hat, bei anderen hingegen auf völliges Unverständnis gestoßen ist und Sätze, wie “Jung und neu“ oder „Wird sie schon noch merken” weiterkommuniziert werden, waren die vergangenen drei Tage für mich und meine Kids sehr intensive und sehr wertvolle Tage, die ich nicht missen möchte.
Diese Tage mit Mauricio und Georgina teilen zu können – auch das empfinde ich als sehr wertvoll.
Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass wir mit unserer Spendenaktion nicht die Welt verändern können und werden.
Was wir mit unseren Spenden jedoch erreichen konnten, waren Lächeln in Menschen hervorzurufen, die vor einigen Monaten alles verloren hatten. Und auch wenn wir insgesamt “nur” 31 Familien unterstützen konnten, so bin ich mir sicher: Auch wenn wir die Welt in drei Tagen nicht verändert haben – die Welt dieser 31 Familien haben wir nicht nur ein bisschen verändert, sondern sie auch ein klein wenig schöner und vielleicht sogar lebenswerter gemacht.
Und dieses Gefühl ist ein wundervolles Gefühl. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Menschen kennenlernen durfte. Ich bin dankbar dafür, dass ich meinen Beitrag leisten konnte. Und ich bin dankbar dafür, dass mich meine Schüler, deren Eltern, ein paar meiner Kollegen und meine Freunde dabei unterstützten.
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