​Bali – Day 5: trip to Ijen oder: Wie bekloppt ist eigentlich bekloppt?

Zwei Stunden Schlaf, eine ‚Nacht‘ im Zelt, über 400 km Scooter Tour, zwei Mal Fähre fahren, Berg hoch, Krater runter, ich sehe aus wie ein Schwein und rieche auch so – beste Voraussetzungen, um einen Blogartikel über die vergangenen 30 Stunden zu schreiben.
Als ich vor zwei Tagen mit meiner Mum noch Witze über den bevorstehenden Trip zum Ijen, einem Vulkan auf Java, machte und sie witzelte: „Wenn du abstürzt, tu‘ es mit Würde und leg vorher noch einmal frisches Makeup auf“, ahnte ich nicht, dass ich am Freitagmorgen, als um 7 Uhr der Wecker klingelte, das Gefühl haben würde als sei ich in der Nacht von einem ICE überfahren worden. Ich war völlig gerädert, meine Knie taten weh vom vielen Laufen (und ihr wisst nur allzu gut, dass ich beim Beintraining einiges abkann), mein Nacken und meine Schultern waren verspannt vom vielen Scooter der vergangenen drei Tage. Ich schrieb zuerst einmal Holger eine Nachricht und verlegte unseren Start auf 10 Uhr, um noch etwas Zeit zum Entspannen zu haben.

Kurz vor 10 Uhr trafen wir uns dann bei Christian, tranken noch einen Kaffee und dann ging es auch schon los. Knapp über 200km auf dem Roller waren zu schaffen (einen kurzen Zwischenstopp legten wir in Pupuan und am Pupuan Waterfall ein), übersetzen mit der Fähre auf Java und hoch auf 1800m zur Ranger Station des Ijen.

Dort schlugen wir zuerst einmal das Zelt auf und begaben uns dann in Sicherheit vor dem Regen, der in der Zwischenzeit eingesetzt hatte. Beste Voraussetzungen für eine gediegene Nachtwanderung. *ironieoff* Nachdem wir uns auf dem mitgebrachten Benzinkocher Kaffee und Tee gekocht und schließlich auch ein vier-Sterne-Gourmet-Dinner (es gab Spaghetti mit Tomatensoße, Putenfleisch und Parmesan) gezaubert, ein wenig Apfelwein zum Aufwärmen getrunken hatten, legten wir uns gegen 21.30 Uhr in unsere Schlafsäcke, da um kurz nach 0 Uhr der Wecker klingelte und wir gegen 1 Uhr unseren Aufstieg auf den Ijen beginnen wollten.

Mal abgesehen davon, dass ich dachte, ich stünde im Wald – was ja auch tatsächlich der Wahrheit entsprach -, hatte ich wahrscheinlich gerade mal 2 Stunden geschlafen und fühlte ich mich weit entfernt davon, gleich innerhalb von 3km einen Aufstieg von knapp 500 Höhenmetern zu machen. Das Gute: ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine wirkliche Vorstellung, was dies bedeutete und war mir sicher, der erste Kaffee würde es schon richten. Weit gefehlt! Die ersten Meter waren ja noch gemächliches Gehen – hätte so weiter gehen können – aber innerhalb kürzester Zeit realisierte ich, dass 500 Höhenmeter – die Rechenlehrer mögen mir verzeihen, dass ich hier weder von Steigungswinkeln noch von Neigungen oder anderem unwichtigen mathematischen Zeug reden werde, weil…ich es nicht kann – einfach nur ‚des Todes‘ sind. Während mein Puls raste, meine Knie schmerzten, mein Garmin völlig abdrehte und mir alle paar Minuten vibrierend mitteilte, dass ich mein Tagesziel von ’10 Stockwerken‘ gerade zum x-ten Mal erreicht hatte und ich mich irgendwie den Berg hoch schaffte (ja, Holger, ich weiß, soooo schlimm sah es gar nicht aus! 😉 ), befanden sich meine Gedanken in einem Kreislauf: Warum tue ich mir das an? – Ach ja, weil ich schon immer einmal einen Vulkan besteigen wollte (Bucket List). Warum wollte ich schon immer mal einen Vulkan besteigen? – Weil es sicherlich ein geiles Gefühl auslöst, es geschafft zu haben, es ein sagenhaftes Naturschauspiel dort oben geben muss. Das Teufelchen in mir sagte: Los, dreh einfach um, hau‘ dich wieder in den Schlafsack und penn‘ dich aus. Das Engelchen in mir sagte: Tu‘ das nicht, denn du würdest es bereuen. Warum würde ich es bereuen? – Weil ich schon immer einmal einen Vulkan besteigen wollte… 3 Kilometer können verdammt lang sein, wenn es fast nur senkrecht  bergauf geht. 3 Kilometer bei stockfinsterer Nacht können verdammt lang sein, wenn man nur eine Stirnlampe auf dem Kopf hat und 3 Kilometer können verdammt lange sein, wenn es arschkalt ist – und ja, auch in Indonesien ist auf 1800 Meter aufwärts bei Nacht nicht mit 30 Grad zu rechnen. Reminder an mich selbst: Wenn du das nächste Mal beim Packen deines Rucksacks vor dem Kleiderschrank stehst und dich fragst, ob du die Thermo-Unterwäsche einpacken sollst, beantworte dir die Frage nicht arrogant völlig selbstsicher mit „Ich fliege auf Bali, nicht in die Uyuni!“, sondern pack‘ sie verdammt nochmal einfach ein! 

Oben angekommen (jaaa, nach einer starken Stunde hatten wir den Aufstieg tatsächlich geschafft), waren wir natürlich klatschnass geschwitzt und sahen: Nichts! Im Nachhinein auch gut so, denn hätte ich das, was danach kam, bei Tageslicht gesehen und die Dimensionen erfassen können, ich wäre wahrscheinlich mit weitaus mehr Respekt den Krater hinuntergelaufen. Tritt folgte auf Tritt. Ja, vorsichtig, ja, auch völlig konzentriert! Und ja, irgendwann auch sehr ehrfürchtig, weil ich aufgrund des bisher zurückgelegten Weges langsam aber sicher erahnen konnte, mit welch einer krassen und vor allem steilen Felslandschaft ich es zu tun haben musste. Von völliger Dunkelheit umhüllt. Von einem tatsächlichen Weg konnte nur andeutungsweise die Rede sein – auf dem Ijen wird Schwefelabbau betrieben und größtenteils bewegen sich dort eigentlich die Arbeiter auf den ‚Pfaden‘. Dann plötzlich konnte man in der Ferne, in der Tiefe ein blaues Flackern sehen, die ‚blue flames‘ des Ijen, die Schwefelfeuer. Fast unten angekommen, war mir auch ziemlich schnell klar, warum es ratsam war, hier mit Gasmasken hinab zu steigen. Keine Sorge, wir hatten welche dabei. Den beißenden Geruch in der Nase und im Rachen habend, entschied ich mich, dass es vielleicht eine gute Idee sei, diese einmal aufzusetzen. Von jetzt auf gleich waren wir in riesige Nebelschwaden eingehüllt. Diese verzogen sich kurz, dann kam eine weitere, teilweise noch dichtere, länger anhaltende Schwade, verzog sich wieder. Das Spiel der blauen Flammen: absolut faszinierend! Die Strapazen des Aufstiegs auf den Berg und die des Abstiegs in den Krater waren völlig vergessen, entschädigten einen für Schmerzen in Knien und Oberschenkel, ließen einen nach ‚mehr‘ schreien (äääh, nein, ganz so war es dann doch nicht!). Dennoch: stundenlang – wäre der Wind nicht plötzlich aufgezogen und wäre es nicht noch einmal merklich zumindest gefühlt kälter geworden – hätte ich diesem Naturschauspiel zusehen können; keine aufflackernde Flammen glich der nächsten, es war ein Gewirr aus Wind, Nebel, Feuer – die Farbe der Flammen setzte dem Ganzen die Krone auf.

Da wir den Campingkocher mit in unser Gepäck genommen hatten, beschlossen wir, uns einen windgeschützteren Ort zu suchen und erst einmal einen wärmenden Kaffee zu kochen. Bis zum Sonnenaufgang waren es noch knapp 1,5 Stunden! Knapp einen Liter Wasser mit einem Campingkocher zu erhitzen, dauert so seine Zeit, es war immer noch dunkel, kein Ticken wärmer und außerdem stand das ‚Gipfelbier‘, das wir aus Sicherheitsgründen nicht vor dem Abstieg in den Krater zu uns nehmen wollten, noch aus.

Also rein damit! In den nächsten 1,5 Stunden würde hier oben sowieso nichts passieren außer dass irgendwann auch diverse Neckermann-Touristen auf bizarre Art und Weise versuchten, sich an Händen von guides (!!!) völlig unbeholfen die Wege ebenfalls hinunterzuarbeiten, in der Hoffnung, auch einmal einen Blick auf die blue flames erhaschen zu können. Das Treiben war erheiternd und half mir, für einzelne Minuten die absolute Kälte und den Wind der Umgebung vergessen zu lassen, auch der Kaffee wärmste langsam von innen, aber nicht nur 3km können lang sein, wenn man auf den Gipfel wartet, auch 1,5 Stunden können verdammt hart sein, wenn man auf die Sonne wartet. Und nein, dieses Mal kann wirklich nicht von ’schlechter Kleidung‘ die Rede sein, denn ich war bestens ausgerüstet, trug eine Leggings unter der Trekkinghose, einen Fleece unter der Softshell-Jacke, einen Fleece hatte ich über den Rücken gelegt, mein Kopf war eingewickelt in einen Sarong. Aber der Schweiß des Aufstiegs, der aufziehende morgendliche Tau unterstützte das Gefühl der Kälte. Irgendwann war es aber dann so weit. Die Sonne ging auf. Mit ihr lichteten sich die Schwefelschwaden über den blue flames und der Kratersee war zu sehen. Welch ein türkis! Schließlich geschah natürlich noch, was geschehen musste: Nachdem die Sonne aufgegangen war, man die ganze Pracht des Katers also sehen und fotografieren konnte, rutschte ich auf einem Stein aus während ich versuchte, ein Foto zu machen. Aber, dem Mantra meiner Mutter sei Dank, außer etwas aufgeschürfter Haut ist nichts passiert, denn noch während der Zehntelsekunden beim Abrutschen auf dem Stein gingen mir die Worte meiner Mutter des Tages zuvor durch den Kopf und mir war direkt klar, mir würde heute nichts passieren, hatte ich doch überhaupt kein Makeup dabei! Also, nein Krater! Heute nicht! Quoth the raven: nevermore! Die Mutter hat’s gesagt und klare Anweisungen gegeben!

Schließlich entschieden wir uns, den Abstieg anzugehen. Unser ursprünglicher Plan war es, spontan zu entscheiden – je nach körperlicher Fitheit -, ob wir uns noch einmal zwei Stunden in die Schlafsäcke hauen oder gleich die Rückfahrt angehen wollen. Unten angekommen, entschieden wir uns, natürlich, wie hätte es anders sein können, für Kaffee, Sachen packen und Rückfahrt. Kein Kinderspiel. Nach zwei Stunden Schlaf, knapp 5 Stunden in der Kälte, einem Fußmarsch, der mir meinen legday für die restlichen Urlaubswochen eigentlich völlig unnötig erscheinen lässt, bereits über 200 zurückgelegten Kilometern ein paar Stunden zuvor, standen nun erneut knapp 240km an, weil wir für Christian noch eine Unterkunft checken mussten. Bekloppt?! – Nein, das wird noch! Ich bin noch nicht am Ende des Artikels! Die ersten, sagen wir mal, 80 km verliefen reibungslos. Dann kackten wir langsam aber merklich ab. Pausen waren angesagt. Leckere Pausen, durchaus, man kann und sollte sich diese ja auch schön machen. Es gab lecker Padang, beim nächsten Zwischenstopp die beste Hühnersuppe, die ich seit Thailand gegessen habe und ab und an, weil es für heute einfach noch nicht genug war, ein bisschen Regen, der jedoch nie so heftig war, dass ich das Super-Mario-Zaubermäntelchen aus dem Roller kramen musste, aber auch ausreichte, um mal kurz nass zu werden. An sich ja nicht schlimm, wir sahen ja sowieso schon völlig durch aus, waren am Tag zuvor durch die Mittagshitze Balis gefahren, hatten abends ja schon den ersten Regen erlebt, waren dann bei unserer Wanderung ins Schwitzen gekommen – darauf kam es also nun auch nicht mehr an.
Morgen ist nun mein letzter Tag auf Bali, bevor es am Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe („please be prepared for the pick up between 6 and 7 am!“ – Wtf?!?!) mit der Fähre für zwei Nächte auf Gili Meno geht.

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Zeit für ein Zwischenfazit körperlicher Natur – das Bali-Fazit folgt morgen.

Also, wie geht es mir?! Ich habe

-ein aufgeschürftes Schienbein vom Sturz auf dem Ijen

-einen aufgeschürften Handballen vom Auffangen des Sturzes

-zwei dicke Knie vom vielen Laufen und Treppensteigen

-Muskelkater in den Oberschenkeln

-verspannte Waden

-einen verspannten Nacken

-verspannte Schultern

-mein rechtes Handgelenk, das den Gashahn am Scooter betätigt, schmerzt, so dass ich diesen nicht ganz schmerzfrei ziehen kann (ohhh, ich weiß genau, wer jetzt grinst!)

-Sonnenbrand auf Armen, Schultern und Handoberflächen, weil ich im Top auf dem Scooter durch die Mittagshitze gefahren bin.

Klingt ja alles irgendwie nach einem Kollateralschaden! Weit gefehlt! Die Liste für einen solchen ließe sich problemlos erweitern, denn was ich bisher nicht hatte, sind Malaria, Dengue oder eine Darminfektion! Ich würde daher sagen: alles ist wundervoll und in bester Ordnung. Die einzige Krankheit, die ich tatsächlich habe und die auch nicht durch irgendeinen Arzt heilbar ist, ist die Reisekrankheit.

Die kommenden drei Tage werden es richten: Ein letzter morgiger Relaxingtag auf Bali und zwei Tage auf Gili Meno, an denen ich mir das Nichtstun aufgezwungen habe, denn außer schnorcheln (will ich nicht, kommt danach), tauchen (kann ich nicht), die Insel umjoggen (werde ich definitiv tun) und voraussichtlich sinnlose Blogbeiträge schreiben, gibt es dort nicht viel zu tun, um nicht zu sagen: Nichts!

Eine Art P.S., um einmal auf die Frage eines treu Mitlesenden, welche Tiere es auf Bali gebe, einzugehen, die ich bisher nicht beantworten konnte, weil ich mich noch nicht in absoluter Sicherheit über die Antwort wähnte: Affen! Überall gibt es Affen! Sie sind nicht nur zahllos mit ihrer zweiten Unterspezies in Ubud zu finden (ich berichtete darüber), sondern auch in Bäumen oder auf den Straßen und rennen dort völlig überraschend in kleineren Rudeln einfach entweder der Straße entlang oder – vergleichbar mit den Hühnern in Thailand oder den Kühen in Vietnam – über die Straße, so dass man gezwungen ist, plötzlich abzubremsen. Eine weitere Tierart, die mir heute Nacht begegnet ist, die aber ebenfalls zahlreich vorhanden zu sein scheint, ist das ‚gemeine Schnuffeltier(chen) aka Doppelfilterschnuffeltierchen‚ (Diminutiv je nach Größe und Aussehen wählbar) – heute gab es sogar die Chance, diese Tierart vor die Kamera zu bekommen. Zuerst wehrte es sich etwas, sah sein Schicksal aber dann ein.