Climbing Huayna Picchu – Treppensuizid auf den stairs of death
Climbing Huayna Picchu oder Wayna Picchu
Huayna (oder Wayna) Picchu ist einer der beiden Berge, die du von Machu Picchu aus sehen kannst. Wahrscheinlich ist Huayna Picchu das bekannteste Fotomotiv überhaupt. Denn auf Bildern von Machu Picchu siehst du in 90% aller Fälle im Hintergrund Huayna Picchu. Der Gipfel von Huayna Picchu liegt auf 2.700 Metern mitten in den Anden.
Sechs Wochen vor meinem geplanten Besuch von Machu Picchu hatte ich mir mein Ticket gekauft. Ich war überrascht, dass ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch Tickets für Huayna Picchu erstehen konnte. Schließlich werden täglich nur insgesamt 400 Tickets für Huayna Picchu verkauft. Verteilt auf zwei time Slots – einer am frühen Vormittag und einer um die Mittagszeit.
Die Bilder, die ich im Internet über die Besteigung von Wayna Picchu anschaue, sehen atemberaubend aus. Was eine Besteigung von Wayna Picchu wirklich bedeutet, dämmert mir jedoch erst am Abend vor meinem Aufstieg auf Machu Picchu.
Stairs of death. Ein Unterschied von 400 Höhenmetern von Machu Picchu auf Wayna Picchu. Voraussetzung: Sehr gute körperliche Fitness, Schwindelfreiheit, keine Höhenangst. Äääähh?! – Vielleicht sollte ich endlich einmal damit aufhören, ohne Vorbereitung irgendwohin zu reisen?!
Climbing Huayna Picchu: Der Eintritt
Es ist 07:25 Uhr, als ich am Eingang von Huayna Picchu meine Daten in das Buch eintrage: Uhrzeit meines Eintritts, Name, Passnummer, Geburtsdatum, Geburtsland. Safety precautions: check! Weitere safety precautions wird es nicht geben.
Ab jetzt bin ich auf mich alleine gestellt. Denn auch wenn es danach aussieht, dass zahlreiche Touris gleich mit mir zusammen Wayna Picchu besteigen werden, so verteilen sich die Menschen relativ schnell auf dem Berg.
Schnell habe ich sowohl den Blick auf diejenigen, die sich vor mir befinden, verloren. Und noch schneller habe ich diejenigen, die sich hinter mir befinden, aus den Augen verloren.
Climbing Huayna Picchu: Auf ein Neues
Meine Musik hämmert in meinen Stöpseln. Ich spüre, dass meine Beinmuskulatur aufgrund der Pausen, die ich zum Anschauen für Machu Picchu eingelegt habe, schmerzt. Der Aufstieg auf Machu Picchu hat deutliche Spuren hinterlassen. Ich schaue erneut auf die Uhr. Ich bin seit etwas mehr als 3,5 Stunden wach und seit gut 3 Stunden auf den Beinen.
Meine Motivation, nun erneut einen Berg in Angriff zu nehmen, geht gegen Null. Und weil mir allzu bewusst ist, dass die beiden Bananen, die ich mir vor einer knappen Stunde reingepfiffen habe, wahrscheinlich schon vor zwei Stunden verbrannt habe, ziehe ich mir meinen Haferflockenkuchen rein.
Schnelle Carbs! Hunger habe ich keinen. Aber ich weiß, dass ich essen muss.
Meine Beinmuskulatur meldet sich wieder. Ich habe das Gefühl, dass meine Muskeln bereits jetzt völlig übersäuert sind. Das wird ein heftiger Muskelkater morgen werden. Lauf! Lauf einfach! Dann werden wenigstens die Muskeln wieder warm.
Und bevor es schließlich rüber auf Huayna Picchu geht, muss ich erst einmal den Hügel von Machu Picchu verlassen. Dafür geht es zunächst runter, dann hoch auf ein Plateau.
Und während ich auf diesem Plateau eine kleine Pause einlege, einlegen muss und auf die andere Seite, auf Wayna Picchu schaue, suche ich unweigerlich den Weg auf der anderen Seite.
Ich sehe nichts. Ich schärfe meinen Blick. Dann sehe ich Bewegungen mitten in den Bäumen. Ich schaue genauer. Da sind Menschen. Eine Handvoll. Sie laufen hintereinander. Und es sieht so aus, als würden sie direkt am Felsen entlang laufen.
Okay, weiter. Muskulatur, werde verdammt nochmal warm.
Climbing Huayna Picchu: Treppensuizid auf den stairs of death
Dann habe ich keine Zeit mehr, auch nur einen weiteren Gedanken auf meine Muskulatur zu legen. Ich bin auf der anderen Seite. Und es geht hoch. Und hoch. Und hoch. Ich laufe. Mein Kopf scheint völlig ausgeschaltet. Ein Fuß vor den anderen. Schritt für Schritt. Es geht fast senkrecht hoch. Mein Puls rast. Mein Herz pocht. Meine Beine pochen. Bereits nach den ersten Minuten spüre ich Schweiß auf meinem Rücken.
Ich lege eine Pause ein, um mich ein paar weniger Kleidungsstücke zu entledigen. Sie anzubehalten wäre gefährlich.
Ich würde weiter schwitzen, der Schweiß würde erkühlen und würde mich erkälten. Mein Kopf funktioniert also noch.
Ich blicke auf den Weg vor mir. Geht das überhaupt noch als Weg durch?
Weiter! Lauf! Lauf einfach! Ein Schritt vor den nächsten!
Climbing Huayna Picchu: Ein weiteres Kapitel für „Wie bekloppt ist eigentlich bekloppt?“
Warum mache ich das überhaupt? – Du machst das genau einmal im Leben! Danach machst du das nie mehr! Huayna Picchu ist ein once-in-a-lifetime-Ding! Also rauf da!
Ich lasse Menschen hinter mir. Während meiner kleinen Pausen werde ich von anderen Menschen überholt. Man lächelt sich zu, während man sich begegnet. Blicke treffen sich. Ein kurzes Nicken. Unverbunden, weil jeder seine eigene, individuelle Geschwindigkeit besitzt, und doch irgendwie verbunden.
Und irgendwann spüre ich, dass ich nichts mehr spüre. Ich laufe. Und laufe. Und laufe.
Ich schaue nicht mehr auf die Uhr. Ich lege kurze Pausen ein, um einen Schluck Wasser zu mir zu nehmen. Wasser ist wichtig. Auch wenn ich weder Hunger noch Durst habe und einfach nichts mehr spüre.
Treppen. Steine. Ich brauche teilweise meine Hände, teilweise beide Hände, um mich an den Treppenstufen festzuhalten. Um hoch zu kommen. Die Treppenstufen sind teilweise so schmal, dass ich meine Füße parallel zur Treppenstufe stellen muss.
Die Stahlseile, die sich teilweise an den Felswänden befinden, bieten eine gelungene Abwechslung. Kraft meiner Arme kann ich mich hochziehen und für einige Momente meiner Beinmuskulatur ein klein wenig Ruhe verschaffen. Denke ich mir. Denn spüren tue ich meine Beine nicht mehr.
Auf der anderen Seite der Stahlseile geht es senkrecht den Berg hinunter. Freier Fall. Ohne Netz und doppelten Boden. Was bin ich froh, dass ich keine Höhenangst habe und schwindelfrei bin. Aber auch darüber kann ich nicht lange nachdenken.
Lauf! Lauf einfach weiter! Du machst das einmal im Leben!
Ja, du bist gestört. Du bist völlig gestört. Auf Machu Picchu hochlaufen und danach Huayna Picchu besteigen – das macht kein normaler Mensch. Aber wenigstens bin ich nicht der einzige Mensch aus der Kategorie „Irre“.
Und dann?! – Dann gibt es plötzlich keine Stufen mehr. Steine. Felsen. Ein Seil, an welchem man sich festhalten kann. Ob es tatsächlich dem Festhalten dient oder einem Abrutschen entgegenwirken soll, ist mir schleierhaft. Ein Aufpasser steht plötzlich neben mir. Take care here, flüstert er mir zu. Ich schaue ihn an. Nehme ihn wahr. Ich nicke. Ich kann nicht sprechen. Vorsichtig laufe ich auf dem Felsen entlang. Es sind die letzten Meter.
Auch wenn es nach einem kleinen Gewusel auf den Felsen des Gipfels aussieht, so ist es das nicht. Man begrüßt sich. Den Neuankömmlingen wird Platz gemacht, dass sie sich für einen Moment irgendwo setzen können. Man wechselt sich ab beim Fotos machen. Jeder macht viele Bilder für jeden. Alle sind geduldig. Keiner drängelt. Zufriedenheit. Abgeschlagenheit. Ein paar Minuten Sonne.
Aus Erfahrung weiß ich, dass Abstiege schlimmer sind als Aufstiege. Aufgrund der Konzentration, die nachlässt. Aufgrund der Kraftlosigkeit, die einsetzt.
Und als ich mich schließlich auf den Weg nach unten mache, tröpfelt es auf meine Brille. Das darf nicht wahr sein. Es beginnt zu regnen. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Steinstufen vor mir. Sowieso schon glatte Steinstufen, einsetzender Regen, körperliche Erschöpfung. Das kann heiter werden. Ich muss mehr als vorsichtig beim Abstieg sein, hämmere ich mir ein, während ich erneut einen Fuß vor den anderen setze. Mach langsam. Nichts überstürzen.
Dass ich da wirklich heil heruntergekommen bin, grenzte an ein kleines Wunder. Es gab Phasen, da konnte ich mich nicht mehr an gelaufene Meter erinnern. Es gab Phasen, da hatte ich einen kompletten Aussetzer und fragte mich, ob ich gerade Treppen oder einen Weg gelaufen war. Es gab kürzere Abschnitte, auf denen ich auf dem schmalen Pfad aufgrund heruntergefallener Blätter ins Rutschen kam. Menschen, die offensichtlich erst gegen Ende des 8 Uhr-time-slots erst Huayna Picchu betraten, kamen mir entgegen. Es gab Momente, da wusste ich nicht, wie zwei Menschen nebeneinander auf den Stufen aneinander vorbeikommen sollten.
Und irgendwann, nachdem ich weder bewusst mehr etwas wahrnahm und körperlich nichts mehr spürte, tauchte vor meinen Augen plötzlich das kleine Häuschen auf. Das Häuschen, in welches ich Stunden zuvor Name, Passnummer, Geburtsdatum, Geburtsland eingetragen hatte. Mechanisch nehme ich den Stift in die Hand. 09:43 Uhr. Ich unterschreibe. Exit.
Blogbeiträge im Überblick:
Packliste 4 Wochen Backpacking in Südamerika – Cusco – Peru Rail: Expedition Train vs. Vistadome – FAQs zum Trekk auf Machu Picchu – Machu Picchu individuell buchen – Trekk auf Machu Picchu – Huayna Picchu – Maras und Moray – Zip-lining im Sacred Valley – Puno – Titicaca-See: Uros Villages / Amantani / Taquile – Blogparade: Die schönsten Fotospots und die Realität dahinter