Tirana – wenn der Geist der vergangenen Zeit auf die Gegenwart trifft…
Albanien allgemein
Zugegeben, Albanien ist nun nicht wirklich das allererste Land, das einem einfällt, wenn man auf Reisen gehen möchte. Dennoch bin ich aus den unterschiedlichsten Gründen auf das Land aufmerksam geworden und spätestens die Bilder auf Google haben mein Interesse dann so sehr geweckt, dass mir das Land nicht mehr aus dem Kopf ging und ich kurzerhand beschloss, mir für vier Tage einen Eindruck zu verschaffen.
Die Hauptstadt Tirana
Tirana ist die Hauptstadt Albaniens. Die Einwohnerzahl kann sich durchaus sehen lassen: War sie 2011 bei circa 687.000, wurden 2016 bereits über 800.000 Einwohner verzeichnet.
In den Top-10-Listen der sehenswertesten Welt-Metropolen wirst du Tirana jedoch nach wie vor vergeblich suchen. Nicht sonderlich verwunderlich, denn die vergangenen Jahrzehnte unter dem kommunistischen Regime haben aus der Hauptstadt (angeblich) eher einen düsteren Ort mit ganz viel Armut gemacht.
Als 1992 der Kommunismus zusammenbrach und die Übergangszeit (in welcher sich das Land nach wie vor befindet) zu einer demokratischen Regierung begann, verschlimmerte sich die Situation zunächst ein wenig.
Seit 2000 verbesserte sich die Lage offensichtlich zusehends und mittlerweile ist auch davon auszugehen, dass es in der Stadt überall durchgängig Strom und Wasser gibt. Bedenklich oder schön? – So and so. Mit unserem Leben in unserem schön strukturierten, durchorganisierten und wohl behüteten Land, in dem alles immer funktioniert und in welchem jeder so seine eigenen Luxusproblemchen hat, aber kaum zu vergleichen. Aber genau darin liegt der Reiz.
Tirana – 9 Gründe, warum diese Stadt einen unglaublichen Reiz auf mich ausübte
Die Pyramide mitten in der Stadt
Wo außer in Ägypten kann man Pyramiden besichtigen? – Richtig, in Tirana. Diese Pyramide ist jedoch ganz anders als du dir eine typische Pyramide vorstellen würdest.
Zum Zeitpunkt ihres Baus war sie als Museum für den Diktator gedacht. Damals prangte noch ein großer roter Stern auf der Spitze der Pyramide. Heute ist sie ein mit Graffiti besprühtes Überbleibsel der dunklen Vergangenheit und dient als Kunst- und Ausstellungsraum.
Kräfte tanken und ausspannen im Parku i Madh, dem Großen Park
Es ist zwar damit zu rechnen, dass man bei gutem Wetter und am Wochenende den Park nicht ganz für sich allein hat, weil die Einwohner Tiranas den Park nutzen, um einen Spaziergang oder ein Picknick zu machen oder mit ihren Kindern zum Spielen hier her kommen, dennoch ist das Areal ganz wundervoll hergerichtet.
Im Zentrum befindet sich sogar ein künstlich angelegter See und zahlreiche Cafés laden dazu ein, ganz entspannt das Treiben im Park zu beobachten.
Vergangene Exklusivität und Wohlstand im Blloku-Viertel
In diesem Viertel wohnten Enver Hoxha und seine Anhänger. Während es früher undenkbar war, auch nur in die Nähe der Villa zu gelangen – ‚normalen‘ Albanern war der Zugang zu diesem Viertel verwehrt – kannst du heute ganz entspannt hier durch spazieren. Entspannt vor allem auch deswegen, weil es hier zahlreiche Straßen gibt, die aufgrund der vielen Bäume, Restaurants und Cafés geradezu zum Flanieren einladen. Das Viertel schließt mehr oder weniger direkt an den Park an.
Graue „Betonpocken“, die die Stadt und Landschaft verunstalten
Überall sind sie zu sehen. Sie sprießen wie Pilze aus dem Boden und sind Zeugnisse längst vergangener Zeiten. Als „Objekt 0774“ im Militär bekannt wurden die Bunker unter der Herrschaft Hoxhas gebaut. Sie entstanden aufgrund seiner Paranoia vor Feinden, die das Land überfallen, einnehmen und zerstören wollten. Feinde, die in Wirklichkeit nie kamen. Der ursprüngliche Gedanke Hoxhas war der, einen Bunker für jeweils vier Albaner zu bauen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist nicht erwiesen. Fakt ist jedoch, dass sie tatsächlich überall zu finden sind und entweder als Kuhstall oder Touri-Attraktion dienen.
Skenderbeg-Platz und Skenderbeg
Mit Transfermöglichkeiten, auf die du beispielsweise in europäischen Großstädten häufig angewiesen bist, weil es undenkbar wäre, von einem Ort zum nächsten zu laufen, brauchst du dich in Tirana nicht auseinanderzusetzen, denn du brauchst sie schlichtweg nicht. Um Tirana zu entdecken, genügt es, ein paar gute Schuhe anzuziehen und die Stadt zu Fuß zu besichtigen. Als Ausgangspunkt bietet sich der Skenderbeg-Platz an. Ein Stadtplan oder GoogleMaps hilft, um sich in der Stadt zurechtzufinden. Und falls doch etwas schiefgehen sollte, gibt es zahlreiche hilfsbereite Albaner, die dich gerne unterstützen.
Und wer war nun dieser Typ, dieser Skanderbeg? – Ganz einfach. Das kannst du eigentlich schon allein aufgrund des Reiterdenkmals, das ihm auf dem Skanderbeg-Platz gewidmet ist, erahnen: der Nationalheld des Landes. Er hatte es ermöglicht, albanische Stämme zu vereinen und sich mit Erfolg der osmanischen Besatzung entgegenzustellen. Angeblich – so las ich in einem Artikel im Internet, aber diesen stehe ich nach weniger als 24 Stunden in Albanien mittlerweile sehr skeptisch gegenüber – ist es auch ihm zu verdanken, dass die Albaner solch eine Toleranz gegenüber Religionen haben.
Könnte zutreffen, denn auch wenn Schätzungen zufolge circa fünfzig Prozent der Bevölkerung dem Islamischen Glauben angehören und nur circa 35 Prozent römisch-katholisch oder orthodox sind, hatte ich bisher nicht den Eindruck, mich in einem muslimischen Land zu befinden: Alkohol gibt es überall, Frauen sind nicht verschleiert und die Religion ist irgendwie so gar kein Gesprächsthema, sondern erscheint eher pragmatisch als tatsächlich gelebt.
Die Ethem Bey Moschee
Die Moschee befindet sich direkt am Skenderbeg-Platz. Sie ist deswegen so besonders, weil nicht einmal Enver Hoxhas es sich wagte während seines Vorhabens, Albanien zu einem atheistischen Staat zu erklären, diesen Bau zu zerstören. Die Moschee wurde lediglich geschlossen. Außerhalb der Gebetszeiten kannst du die Moschee problemlos besichtigen.
Die Gastfreundschaft in Albanien
Als ich am späten Nachmittag in mein Hotel eincheckte, regnete es in Strömen. [kleiner Wetter-Exkurs: Während die Wetter-App ein „leichtes Gewitter“ prognostiziert hatte, glich mein Eindruck eher einem plötzlich eintretenden Monsun-Regen-Guss in Thailand, denn genauso groß waren plötzlich die Wasserpfützen auf den Straßen und es sah nicht so aus, als wollte es jemals wieder aufhören.] Ich bezog mein Zimmer, organisierte mich und wollte mich (eigentlich ja nicht, wegen des Regens) noch einmal aufmachen, um ein paar Besorgungen zu machen.
Während ich schon an der Türschwelle des Hotels war, rief mir der junge Herr an der Rezeption hinterher und drückte mir mit den Worten „You cannot go without umbrella“ einen Regenschirm in die Hand.
Binnen kürzester Zeit hatte ich im Supermarkt, beim Bäcker und beim Obsthändler eingekauft, die mir schließlich nicht nur die besterhaltenen Früchte aus dem Sortiment heraussuchten, sondern mir auch Tipps geben wollten, was Angebote (zwei Beutel Milch zum Preis von einem – aber mit zwei Liter Milch an vier Tagen konnte ich leider gar nichts anfangen) oder die Brotauswahl anging. Nicht notwendig zu erwähnen, dass ich beim Bäcker kein einziges Wort verstand und freudig nickte, was wiederum zu einem ausgelassenen Lachen meines Gegenübers führte.
Nach meiner kleinen Shoppingtour begab ich mich auf den Rückweg zu meiner Unterkunft, jedoch nicht ohne in einer Bar noch einen Tee einzunehmen. Da das Wlan gerade nicht funktionierte, legte mir der Kellner kurzerhand sein Handy auf den Tisch, erstellte einen Hotspot, verschaffte meinem Handy Zugang zu diesem und ließ mich mit meiner Internetverbindung zurück, ohne auch nur ein einziges, weiteres Mal nach seinem Handy zu schauen.
Zwei Stunden Albanien. Drei kleine Geschichten, die das Leben schreibt. Soll ich dir noch mehr über Gastfreundschaft in Albanien erzählen?! 😉
Okay, komm‘, eine geht noch: Heute Morgen brach ich gegen 9 Uhr bei meiner Unterkunft zu meinem Stadtspaziergang auf. Zehn Minuten brauchte ich zum Skenderbeg-Platz, der Moschee und dem Clock Tower. Dass die Moschee ab 9 Uhr geöffnet haben soll, stimmte wohl nicht ganz und so stand ich vor verschlossenen Türen. Aufgrund meiner Planlosigkeit, die mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben stand, wurde ich angesprochen, erhielt von meinem Gegenüber die Information, dass die angegebenen Uhrzeiten nicht stimmen würden und die Moschee erst gegen 10 Uhr öffnen würde. Es stellte sich heraus, dass mein Gegenüber tour guide war. Da mir aber nicht nach einer Tour war, wir aber sofort ins Gespräch kamen, entschlossen wir uns zehn Minuten und eine gemeinsame Zigarette später, kurzerhand einen Kaffee um die Ecke zu trinken. Einem ziemlich ausgedehnten Kaffee, bei dem ich aber wahnsinnig viel über das Land und seine Gepflogenheiten lernte.
Die Unkompliziertheit der Stadt
Am gestrigen Mittag hatte mich der Security-Beamte am Frankfurter Flughafen, mit dem ich an der Gepäckdurchleuchtung ins Gespräch gekommen war, noch gewarnt, dass Albanien gefährlich sei und dass ich als Frau außerordentlich vorsichtig sein müsse.
Heute Nachmittag zog ich lange durch ein Viertel, das un-touristischer nicht sein könnte und hatte weder das Gefühl, angestarrt zu werden, noch dass mir jemand etwas aufschwatzen wollte.
Das Gegenteil war der Fall: Ich streifte in aller Seelenruhe durch Super- und Obstmärkte, wurde zwar gefragt, ob ich Hilfe bräuchte, aber nach einem Kopfschütteln und einem netten „No, thank you“ ließ man mich in Ruhe.
Auch am Abend – es war ungeplant, aber ich kam einfach in der Bar zu spät los – als es bereits dunkel war und ich die paar hundert Meter zu meiner Unterkunft ging, hatte ich keine Sekunde das Gefühl, mich unsicher fühlen zu müssen: Menschen saßen in den Cafés, auf Hockern am Straßenrand, liefen mir entgegen, Blicke trafen sich kurz, verloren sich wieder. Es war fast so, als bemerkte man mich nicht und, glaub‘ mir, dieses Gefühl in einem muslimischen Land ist durchaus etwas Positives.
Natürlich solltest du nicht völlig achtlos durch die Straßen ziehen. Aber das solltest du sowieso nirgendwo, auch nicht in Deutschland.
Besondere Aufmerksamkeit solltest du statt dessen aber den Straßen und Bordsteinen widmen, denn ein Schlagloch reiht sich an das nächste, die Bodenplatten sind teilweise nicht richtig fest und die Bordsteine unterschiedlich hoch. Ergo, die Straßen fressen Schuhe. Ihr Lieblingsessen sind dabei wahrscheinlich Pumps und sämtliche andere Absatzschuhe. Je dünner der Absatz, desto leckerer. 😀
Exkursionen ins Umland
Tirana eignet sich perfekt, um einige Ausflüge in das Umland zu machen. Leih‘ dir einfach ein Auto und los geht’s. Von meinen Ausflügen werde ich dir aber frühestens morgen Abend berichten, denn morgen Früh wird es nämlich erst los gehen. Dann habe ich einen Leihwagen. Wohin es gehen wird, weiß ich noch nicht, denn dies hängt maßgeblich davon ab, wann ich aufstehen werde. Außerdem möchte ich gerne in aller Ruhe das Frühstück genießen, bevor ich mein Auto in Empfang nehme.
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Wenn du mehr Bilder von Tirana sehen möchtest, klicke auf die Bildergalerie über Tirana, in welcher ich alle meine Bilder von heute zusammengestellt habe.
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