Dem Himmel so nah: Insel Amantani – Tour auf dem Titicaca-See Teil 2 von 3
Die Tour auf dem Titicaca-See
Nach meinem Besuch auf den schwimmenden Inseln der Uros geht die Tour auf dem Titicaca-See für circa drei Stunden weiter zur Insel Amantani. Faszination pur. Der Titicaca-See liegt ruhig um mich herum. In der Ferne sehe ich ein Boot. Ansonsten herrscht hier absolute Menschenleere. Fasziniert bin ich auch von den Wolken. Nicht nur von den Formationen. Sondern auch davon, dass sie zum Greifen nahe erscheinen. Kein Wunder bei der Höhe des Sees. Denn der Titicaca-See befindet sich auf knapp über 3.800 Metern. Der höchste See der Welt.
Am Horizont sehe ich die Anden. Schneebedeckt sind sie. Bizarr erscheint das Ganze. Denn auf dem Boot um die Mittagszeit ist es ganz schön warm. Es ist Juni. Es ist eigentlich gerade Winter. Und eigentlich gerade wirklich arschkalt. Ich genieße die Wärme auf meiner Haut und die Sonnenstrahlen, die meine Nase kitzeln. Ich sauge sie geradezu in mich auf. Denn die vergangenen Tage habe ich fast ausschließlich gefroren. Trotz Zwiebellook. Trotz vorhandener Thermounterwäsche. Trotz Alpaca-Stulpen und Alpaca-Handschuhe.
Drei Stunden später erreicht das Boot die Insel Amantani, meine Bleibe für den restlichen Tag. Ich werde am Pier von meinem Gastvater abgeholt. Er erwartet mich bereits und winkt mir zu. Dann geht es zunächst dem Ufer der Insel entlang. Schafe. Ziegen. Esel. Der Weg führt plötzlich steil nach oben. Mein Puls beginnt zu rasen. Meine Oberschenkel schmerzen. Mir hängen Machu Picchu und Huayna Picchu merklich in den Knochen. Aber keine zehn Minuten später kommen wir am Haus der Gastfamilie an. Ein Kind begrüßt mich. Es trägt ein Lämmlein auf den Armen. Strahlt mich an. Ich frage es, ob ich ein Bild machen darf. Claro!
Und mit einem Tee in der Hand genieße ich den Ausblick von der Terrasse des Hauses der Gastfamilie auf den Titicaca-See.
Ein frühabendlicher Trekk
Mein Guide kommt wenige Minuten später zu mir und erklärt mir, dass wir in den nächsten zehn Minuten aufbrechen müssten. Wohin? frage ich ihn ungläubig. Mir war eigentlich eher danach, den restlichen Tag hier abzuhängen und nichts mehr zu tun. Wir wollen den Sonnenuntergang von Pachamama aus bestaunen. Der Aufstieg dauere circa 40 Minuten, wir müssten um 17 Uhr oben sein und daher gleich los. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 15:30 Uhr. 40 Minuten, frage ich ihn. Ja, es sei kein Problem.
40 Minuten?! Wir wollen um 15:45 Uhr los, um um 17 Uhr oben zu sein? Da stimmt doch etwas in der Rechnung nicht. In meinem Hinterkopf warnt mich ein kleines Stimmchen. Das letzte Mal, als mir jemand sagte, dass ein Trekk 40 Minuten dauern würde, war ich über eine Stunde unterwegs, musste eine Kletterausrüstung anlegen, um einen Felsen hinauf zu kommen. Ich ziehe die Augenbraue hoch. Nun denn. Immerhin ein Sonnenuntergang. Kann ja so schlimm nicht werden.
Trekking Pachamama und Pachatata
Bei Pachatata (Vater Erde) und Pachamama (Mutter Erde) handelt es sich um die beiden höchsten Gipfel der Insel Amantani. Dass sie auf 4.200 Metern liegen, weiß ich um 15:45 Uhr, als wir zu unserem „abendlichen Spaziergang“ aufbrechen, noch nicht. Die ersten Meter gelingen mir ganz gut. Gut, mein Puls rast, meine Schenkel brennen und ich habe Probleme, wirklich tief einzuatmen, aber das sind mittlerweile keine unbekannten Phänomene mehr. Das Problem darf man auf fast 4000 Metern ja mal haben.
Ich muss die erste Pause einlegen. Mein Guide ist ganz froh, dass ich eine Pause machen möchte. Ich sehe ihm an, dass es auch für ihn anstrengend ist. Wie weit ist es noch, frage ich ihn? Er zeigt auf einen riesigen Stein in etwa einem Kilometer Entfernung. Ah, cool, sage ich. This is about half way! Oh fuck, denke ich.
Gemächlichen Schrittes geht es weiter. Hoch. Hoch. Hoch. Bei der nächsten Pause ist es mit meiner Atmung schließlich vorbei. Ich bekomme nur noch etwa die Hälfte dessen an Luft in meine Lungen, was ich gerne hätte. Schmerzen habe ich zwar keine, aber bei einem erhöhten Puls nicht tief ein- bzw. ausatmen zu können, ist nun nicht sonderlich hilfreich, um den Puls niedrig zu bekommen. Mein Guide pflügt ein paar Zweige von einem Busch. Er drückt mir die kleinen Büschelchen in die Hand. Reiben, in beide Hände nehmen und tief einatmen. Ja, is‘ klar. Kraut gegen Atemnot. Um ihm den Gefallen zu tun und damit die Pflückaktion nicht umsonst war, tue ich es ihm nach.
Woooow! Der Geruch der Menta geht voll in meine Lungen! Totaler Flash. Ich atme erneut tief ein. Das fetzt. Und wieder. Und wieder. Und wieder. Ich bekomme wieder Luft. Wenn ich jetzt noch die Schmerzen in den Schenkeln in den Griff bekomme, ist alles gut. Auch das wird. Ich weiß, ich kann mich auf mich verlassen. Laufen. Laufen. Laufen. Irgendwann ist der Kopf aus und der Körper auf Autopilot. Ist nur eine Frage der Zeit.
Und dann ist es geschafft: Nach ziemlich genau 60 Minuten – war klar, ne?! – komme ich auf dem Gipfel der Insel Amantani an. Zeit genug, um ein gutes Plätzchen für den Sonnenuntergang zu suchen.
Pachamama und Pachatata zum Sonnenuntergang
…und dieser ist von hier oben ein einziger Traum. Ich bin dermaßen fasziniert von dem Naturschauspiel, dass ich kaum realisiere, wie es immer kälter wird. Stundenlang hätte ich hier sitzen und die Natur um mich herum beobachten können. Hätte. Könnte. Würde. Wäre da nicht die Eiseskälte, die direkt mit dem Sonnenuntergang einsetzt und dem Schauspiel ein jähes Ende verpasst.
Handschuhe an, zwei Jacken übereinander, Mütze auf, Schal umwickeln, Taschenlampe anschalten. Unten angekommen genehmige ich mir in der Dorfschänke (der einzigen!) einen Pisco Sour. Angeblich soll er nicht so lecker sein, sagt mein Guide. Zu spät. Schon bestellt. Aber immerhin geht er schnell… und ist drei Mal so groß wie ein normaler Pisco Sour. Nicht so lecker?! – Scheiß drauf, wenn’s so wäre! Hier geht’s heute mal nicht um Qualität, sondern Quantität. Je mehr Alkohol, desto schneller warm! Ganz einfache Rechnung! 🙂
Die letzten Meter zu meiner Gastfamilie kann ich dann zwar nicht mehr ganz so sicher laufen – du weißt, Höhe und Alkohol vertragen sich nicht gut. Hinzu kommen die körperliche Betätigung und die Tatsache, dass ich seit mehreren Monaten (mit Ausnahme des Verzweiflungs-Pisco Sours in Puno) keinen Alkohol mehr getrunken habe… nach einem super leckeren Abendessen im Kreise der Familie schlafe ich eingemummelt in fünf Decken schließlich ein.
Wissenswertes zur Tour auf dem Titicaca-See (Puno):
- Touranbieter: Titicaca for you (in Puno)*
- Preis pro Person: USD 50
- Inseln: Uros, Amantani und Taquile
- Dauer: 2 Tage, 1 Nacht
- Art der Unterbringung: Übernachtung in einer Gastfamilie, privates Zimmer mit eigenem Bad, Stromgenerator, Tee, Kaffee und Wasser gibt es bei der Gastfamilie immer
- Inkludierte Mahlzeiten: Mittag- und Abendessen auf Amantani, Frühstück auf Amantani, Mittagessen auf Taquile
- Zeiten: Abfahrt um 8 Uhr in Puno, Ankunft gegen 15:30 Uhr in Puno
Anmerkungen: Es gibt natürlich mehrere Touranbieter für diese Tour. Du solltest hier jedoch nicht auf jeden Dollar schauen, denn mein Guide hat mir u.a. einige Stories von anderen Touranbietern bei Gastfamilien erzählt, die ihren Gästen zu wenig Decken in der Nacht zur Verfügung gestellt hatten, so dass diese froren. Des Weiteren hast du nicht bei jedem Homestay tatsächlich auch ein eigenes Zimmer. Mein Zimmer sah eher wie ein Hotelzimmer als ein Homestay aus. Bei anderen Touren, denen ich am nächsten Tag auf Taquile begegnet bin, war das Mittagessen nicht inkludiert, bei meiner Tour jedoch schon. Vergleichen lohnt sich daher.
*kein Link, keine Kennzeichnung als Werbung! Es handelt sich um keine Kooperation! Solltest du die Kontaktdaten des Anbieters, findest du ihn sowohl auf Facebook als auch auf TripAdvisor. 😉
Blogbeiträge im Überblick:
Packliste 4 Wochen Backpacking in Südamerika – Cusco – Peru Rail: Expedition Train vs. Vistadome – FAQs zum Trekk auf Machu Picchu – Machu Picchu individuell buchen – Trekk auf Machu Picchu – Huayna Picchu – Maras und Moray – Zip-lining im Sacred Valley – Puno – Titicaca-See: Uros Villages / Amantani / Taquile – Blogparade: Die schönsten Fotospots und die Realität dahinter