Ostersonntag in Nicaragua – mein ganz persönliches Nica-family-encounter
Als ich Ramon und seine Frau, die Eltern meiner Haushaltshilfe und Hundesitterin an langen Arbeitstagen Rosa, das erste Mal nach meiner Ankunft am Flughafen in Managua treffe, ihnen Duschgel, zwei Paar Schuhe und umgerechnet 24 Euro überreiche, lädt mich Ramon ein, an meinem letzten Tag in Nicaragua in ihrem Haus zu übernachten. Es sei angenehmer, bei ihnen zu übernachten, da die Fahrt zum Flughafen nur 15 Minuten dauern würde. Bei einer Rückreise ab Ometepe müsste ich hingegen 5 bis 6 Stunden für eine Fahrt zum Flughafen einplanen.
Ramons Worte hallen während meiner Reise durch Nicaragua immer wieder. Immer wieder denke ich an unser kurzes Gespräch. Diese beiden lieben Menschen. Ab und an schreiben wir uns WhatsApp-Nachrichten, denn Ramon möchte wissen, ob es mir auf Ometepe gut gehe. Als ich ihm davon erzähle, dass ich mehr von dem Land sehen wolle und daher nach Granada fahren würde, bietet er mir an, mich an der Fähre in San Jorge abzuholen und mich in seinem Auto nach Granada zu fahren.
Immer wieder frage ich mich, ob sie sich mir gegenüber verpflichtet fühlen, weil ich ja sozusagen die Arbeitgeberin ihrer Tochter bin, ihr überdies eine weitere Arbeitsstelle vermittelt habe oder ob sie diese Angebote machen, weil sie es aus freien Stücken heraus und vor allem weil sie es gerne tun.
Natürlich hätte meine Fahrt nach Granada weitaus angenehmer und kürzer sein können – eine Rollertour, eine Fahrt mit der Fähre, drei Busse und insgesamt 6 Stunden benötigte ich von Unterkunft zu Unterkunft. Mit dem Auto wäre das schneller gewesen. Bequemer. Aber Ramon hätte mit dem Auto ebenfalls 2 bis 3 Stunden zur Fähre benötigt und hätte dann von Granada 1,5 Stunden zurück nach Hause fahren müssen. Schneller und angenehmer für mich. Aber keinesfalls für Ramon.
Als er sich kurz vor dem Oster-Wochenende meldet, um nachzufragen, wann ich käme, weil er mich gerne einladen möchte, bediene ich mich schließlich einer Notlüge.
Nicht weil ich ihn und seine Familie nicht sehen will. Nicht weil ich nicht in seinem Haus übernachten möchte. Nicht weil mir der gehobene Standard eines Hotels wichtiger wäre. Mitnichten!
Sondern weil ich mich nicht aufdrängen möchte, weil ich nicht möchte, dass mich Rosas Mama den ganzen Tag bekocht und weil ich nicht möchte, dass sie sich mir gegenüber verpflichtet fühlen.
Ich erzähle Ramon, dass eine Freundin auf Durchreise sei. Sie käme aus Deutschland, würde eine Nacht in Managua verbringen und dann nach Costa Rica weiterreisen. Ich wolle sie gerne sehen und hätte mich deshalb mit ihr in ein Hotel am Flughafen eingebucht. Er hat vollstes Verständnis.
Was ich mit dieser Notlüge erreichen will?! – Eine Exit-Situation schaffen! Eine, bei der wir unsere Gesichter wahren können! Du weißt sicherlich, wie wichtig es in anderen Kulturen ist, face-threatening zu vermeiden und immer ein gutes Gesicht zu wahren und auch dem Gegenüber immer zu einem guten Gesicht zu verhelfen, kurzum: respektvoll zu sein.
Am Morgen des Ostersonntag schreibt mir Ramon erneut. Geht es dir gut? Wie geht es deiner Freundin? Wenn du magst, hole ich euch beide um 13 Uhr am Hotel ab. Ich möchte dir gerne Rosas Geschwister und die ganze Familie vorstellen.
Spätestens jetzt ist auch mir klar, dass es nicht um ein Gefühl von Verpflichtung geht. Dass es um Respekt und Akzeptanz geht. Dass ich nicht bekocht werden soll, weil ich der Tochter der Familie eine Arbeitsstelle gebe. Dass er nicht um irgendeinen Gefallen geht.
Ich schreibe Ramon zurück, dass das super sei. Wenn er möge, könne er mir seinen Standort auch schicken. Ich könnte mir dann ein Taxi nehmen. Außerdem lasse ich meine deutsche Freundin um 11 Uhr das Land verlassen.
Das kommt nicht in Frage. Ich hole dich vor dem Hotel ab. Wir brauchen nur 10 Minuten mit dem Auto. Ich bringe dich auch wieder zum Flughafen.
Schnell flitze ich zur Tankstelle. Denn wenn ich eines nicht mag, dann ist es, mit leeren Händen bei Familienbesuchen aufzutauchen. Mariel, meine Freundin in Guatemala, sagt zwar immer zu mir You brought yourself! That’s gift enough, aber in diesem Fall möchte ich das nicht.
In der Tankstelle bekomme ich Gott sei Dank genau das, was ich als Mitbringsel benötige! Nein, hier bringst du keinen Wein oder Bier als Mitbringsel mit. Hier bringst du Nahrungsmittel mit, die entweder benötigt werden, also beispielweise Reis, Mais, Bohnen, Milchpulver oder Milch – wobei Milchpulver vorzuziehen ist aufgrund eventueller Probleme bei der Lagerung der hiesigen Temperaturen und/oder Stromausfällen – Kaffee, Zucker oder die sich jemand wahrscheinlich nicht leisten kann. In diesem Fall entscheide ich mich für richtiges Kaffeepulver, Milchpulver und ein wenig Schokolade. Die meisten Menschen trinken hier Instant-Kaffee und können sich Kaffeepulver nicht leisten – Schokolade schon gar nicht.
Und nachdem dieser Einkauf erledigt ist, gehe ich erst einmal duschen, wasche mir nach über einer Woche das erste Mal die Haare und ziehe meine besten Klamotten aus dem kleinen Reise-Rucksack, unter anderem eine Bluse, die ich gestern in der Metrocentro in Managua gekauft hatte, denn auf Äußeres wird – sozialer Stand hin oder her – in Nicaragua großen Wert gelegt…
In Trapiche angekommen werde ich natürlich erst einmal von der ganzen Familie begrüßt. Rosas Eltern eingeschlossen leben auf zwei Häuser, die direkt nebeneinander stehen, insgesamt 10 Menschen – 6 Frauen und 4 Männer. Rosas Eltern wohnen hierbei in ihrem eigenen Haus. Es sind typisch zentralamerikanische Häuser – ein großer Vorraum, mehrere kleine Zimmer, Küche und ein minikleiner Garten.
Rosas Mama fragt mich, wie ich Nicaragua finde. Schließlich fragt sie mich danach, wie Guatemala ist. Immer wieder mache sie sich Sorgen um ihre Tochter. Warum in diesem kleinen Land, das doch gar nicht so weit weg von Nicaragua liegt, die Menschen so gewalttätig sind, warum dort Busse, Menschen und Autofahrer am hellichten Tag überfallen werden, versteht sie nicht. Wir haben hier auch nichts. Aber wir tun niemandem etwas.
Und weil in Trapiche gerade Oster-Dorf-Fest ist, beschließen wir, in den Park zu gehen, um die Tänze zu verfolgen. See and be seen Nica-Style. Das ganze Dorf scheint auf dem Fest zu sein. Die Stimmung ist gelöst. Die Menschen feiern.
Eigentlich wollte mir Rosas Mama noch den Rest des Dorfes zeigen. Aber dafür ist keine Zeit mehr. Ich muss zurück zum Flughafen…
Rosas Mama nimmt mich schließlich ein letztes Mal in den Arm, zieht meinen Kopf ganz fest an ihren Kopf heran, küsst meine Wange, und bittet mich nicht nur darum, Rosa, ihre Tochter, sondern auch Julia, ihre Schwester, fest in die Arme zu nehmen. Und als mich Ramon in die Arme nimmt, lächelt er verhalten Hasta pronto – en Nicaragua o Guatemala! Que le vaya bien!
Mit diesem Beitrag endet nun meine Reise durch Nicaragua. Hast du Lust auf ein Best of… Nicaragua und ein ganz persönliches Fazit nach 10 Tagen in Nicaragua? – Dann schau‘ dir meinen Vlog zu Nicaragua an.
Möchtest du weitere Informationen über meinen Aufenthalt auf Ometepe? Hast du vielleicht auch Lust, Granada, Masaya oder Managua einen Besuch abzustatten? Oder bist du interessiert, wie mein ganz persönliches Nica-Fazit ausfällt? Während meines Aufenthaltes auf Ometepe war ich auch immer darauf bedacht, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen und möglichst viel mit ihnen zu sprechen (hier geht’s zum Interview mit einer Nicaraguanerin). Mein ganz persönliches Highlight war hierbei der Besuch von Rosas Familie in Trapiche.
Neben all den Infos, die ich dir auf dieser Seite über meine Reise nach Ometepe geben möchte, findest du hier auch einen Blogbeitrag über Dinge, die du in Ometepe unbedingt unternehmen solltest und Wissenswertes und Reisetipps für deinen Aufenthalt auf Ometepe. Überdies habe ich während meines Aufenthaltes auf Ometepe in meinen Insta-Stories danach gefragt, was meine Leser gerne über Ometepe wissen möchten.