In was für einer Welt leben wir eigentlich?
In was für einer Welt leben wir eigentlich? In Panik könnte ich verfallen. Angst und Bange könnte mir werden. In meine Wohnung könnte ich mich einschließen. Denn wenn man den Fuß vor die Tür setzt, muss man um sein Leben bangen. Verrückte, fundamentalistische Terroristen haben es auf uns abgesehen. Sie fahren mit Lastwagen in Menschenmengen, zünden Bomben an touristischen und hoch frequentierten Orten, kidnappen Flugzeuge und lassen sie ins Meer stürzen, auf dass sie niemals mehr gefunden werden.
Wenn man auf Reisen gehen möchte, bleibt einem nur noch die Wahl zwischen Menschenrechtsverletzung oder Affenhirn, Überwachungsstaat oder Bananenrepublik, Scharia oder Malaria, Dengue oder Zika.
Das Geld für meine Reisen ist entweder eine finanzielle Unterstützung von Diktatoren oder Besitzern von Wellness-Tempeln oder es wird für den Bau von Mauern verwendet. Im besten Fall wollen die Einheimischen mein Geld, im schlimmsten Fall mein Leben. Das Klima geht vor die Hunde und mit all den schmelzenden Gletschern den Bach runter.
Und mein Job? – Den wird bald ein Roboter oder irgendein YouTube-Kanal machen. Natürlich viel effektiver, viel besser und viel schneller. Unsere Spezies ist eine verfluchte Krankheit.
Und während mich Wilhelm Busch in voller Lautstärke anbrüllt „Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!“, denke ich nur: Ernsthaft, jetzt? Da draußen ist es doch so furchtbar gefährlich!
Ja, auf einen solchen Gedanken könnte man kommen, wenn man morgens all die Schlagzeilen in den Zeitungen liest, mittags die Nachrichten im Radio verfolgt und am Abend die Nachrichten im Fernsehen anschaut. Jede kleinste und schlechteste Nachricht wird Dank Internet binnen Sekunden auf der Welt verbreitet. Von jeder Katastrophe erhält man wenige Minuten später die eindrucksvollsten Bilder. Und binnen eines halben Tages hat man das Gefühl, dass unsere Welt nicht nur am Abgrund steht, sondern bereits den Abgrund hinunterschlittert.
Menschen, die davon ausgehen, dass sie in den einschlägigen Tageszeitungen und der allabendlichen Tagesschau ein wahrheitsgetreues Bild der Realität erhalten, leben in einer dunklen und sehr grausamen Welt.
In was für einer Welt leben wir eigentlich? Die Frage ist nicht falsch gestellt. Die Frage muss nur anders betont werden. Nicht Pessimismus, Entmutigung, Hoffnungslosigkeit oder Resignation, sondern Neugier, Interesse, Erwartung und Wissbegierde möchte ich darin hören!
Denn allem Schlechten, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind und mit dem wir ständig konfrontiert werden, stehen positive Dinge gegenüber, die uns zeigen, dass unsere Welt gar nicht mal so schlecht ist wie sie immer dargestellt wird. Nicht nur wird Mark Zuckerberg bis 2100 alle Krankheiten heilen, nein, auch Steven Pinker, Evolutionspsychologe an der Harvard University, ist der Ansicht, dass die Menschen immer friedlicher miteinander umgehen, weil Gewalt im Hinblick auf die Vergangenheit und unsere Menschheitsgeschichte immer weiter zurückgegangen ist. Das betrifft nicht nur einzelne, kleinere Delikte, sondern sämtliche Formen der Gewalt, wie Kriege, Folter, Vergewaltigungen oder Hinrichtungen.
Unsere Welt ist also gar nicht schlechter als vor fünfzig, hundert oder tausend Jahren. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass es uns in unserer aktuellen Welt sogar viel besser geht als noch vor einigen Dekaden – wir haben ausreichend Nahrungsmittel, leben länger, sind freier in unserem Tun und Handeln und das Reisen war noch nie so einfach.
Und noch nie war es so einfach für jeden Einzelnen, einen Beitrag zu leisten. Einen Beitrag für all die Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns, die mit ein bisschen weniger Glück ausgestattet worden sind als wir. So ein Beitrag kann etwas Großes sein, wie beispielsweise eine Schule irgendwo in Afrika. So ein Beitrag kann aber auch etwas Kleines sein, indem ich Länder bereise und Menschen mit meinen Reise-Unterhaltskosten unterstütze, die es nötig haben – und die verdammt nochmal auch in Ländern wohnen, in denen Unfreiheit herrscht und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung stehen.
Natürlich ist es immer leichter, dem Wahnsinn nachzugeben, der Masse zu folgen und der Paranoia zu erliegen. Aber manchmal hilft auch ein offener Blick, ein Augenreiben und eine positive Lebenseinstellung, um festzustellen: Wir leben nicht nur in einer wundervollen, sondern auch faszinierenden und bezaubernden Welt und es gibt nichts Schöneres auf dieser Welt, wenn man das Privileg besitzt, diese Welt für sich zu entdecken.
Und während Wilhelm Busch mich erneut in voller Lautstärke anbrüllt, denke ich mir: Ja, verdammt, wir leben in einer faszinierenden, wunderschönen Welt, die es verdient hat, bereist und entdeckt zu werden!