Mit dem Minibus von Georgetown nach Lethem – wenn’s mal wieder länger dauert
Mit dem Minibus von Georgetown nach Lethem – wenn’s mal wieder länger dauert
Und weil mich die Stadt Georgetown ja überhaupt nicht anmachte und ich dir auch nur raten kann, so schnell wie möglich da raus zu kommen – vielleicht nicht gerade mit dem Minibus – werde ich lieber von meiner Fahrt mit dem Minibus von Georgetown Richtung Lethem und in den Regenwald erzählen.
Vorab: Wissenswertes zu Flug oder Minibus von Georgetown nach Lethem
a. Wissenswertes für die Fahrt im Minibus von Georgetown nach Lethem
Der Minibus von Georgetown nach Lethem fährt täglich. Cindy’s Bus Service (+592 6171339) hatte eine zeitlich angesetzte Fahrt um 14 Uhr. Die Ankunftszeit in Lethem ist dabei völlig unplanbar, da die Fahrtzeit maßgeblich vom Zustand der Straßen abhängt. Sie kann zwischen 18 und 20 Stunden liegen. In keinem Fall ist davon auszugehen, dass du am nächsten Tag vor 9 Uhr morgens in Lethem sein wirst. Denn die Fähre, um über den Essequibo Fluss zu gelangen, öffnet erst um 6 Uhr morgens. Von dort aus sind es noch 4 bis 6 Stunden bis nach Lethem.
b. Ein Flug von Georgetown nach Lethem
Die Alternative ist es, die Strecke von Georgetown nach Lethem oder Lethem nach Georgetown zu fliegen. Trans Guyana Airways bedient diese Strecke drei Mal am Tag um 9, 13 und 16 Uhr. Auch hier können sich vom einen auf den anderen Tag die Flugzeiten ändern (bei mir wurde die Flugzeit am Tag vorher von 9 auf 11:15 und dann vor Ort auf 12 Uhr verlegt). Die Ticketpreise für die einfache Strecke belaufen sich auf fast 200 USD. Kein Schnäppchen.
Meine Fahrt mit dem Minibus von Georgetown nach Iwokrama
Geplante Abfahrt ist 14 Uhr. Seit circa 13 Uhr sitze ich vor „Cindy’s Bus Service“ und schaue dem Treiben zu. Oder besser: Nicht-Treiben. Denn um 14 Uhr hat noch überhaupt niemand damit begonnen, die Kartons auf das Dach des Minibuses zu packen. Pünktliche Abfahrt war mal, denke ich mir. Doch dann setzt sich jemand in Bewegung. Vielleicht hieß 14 Uhr auch, dass mal mit der Arbeit begonnen wird und sich jemand bewegt. Man weiß es nicht. Mit zwei Planen und mehreren Seilen werden schließlich die Koffer und Kartons auf dem Dach gesichert. Planen. Gut. In Guatemala gibt’s da nur Seile. In Deutschland gebe es ne saftige Strafe. Denn der Bus ist völlig überladen. Interessiert hier aber keinen.
Covid – gibt’s auch nicht. Oder nicht mehr. 2G-Regel, 3G-Regel – hat hier wahrscheinlich noch nie jemand gehört. Die Frage der Impfung hat hier eher mit Status oder Religion zu tun.
Wer in Guatemala das Geld hat, fliegt raus. Raus dem Land. Um sich eine Impfung in den USA zu besorgen. Mit Sputnik kommst du hier ja nicht weit. Im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem nachdem die USA nun verfügt hat, dass Sputnik nicht zu den Impfungen gehört, mit denen man auf dem heiligen Land einreisen darf. So löst man zumindest teilweise ein Immigrationsproblem von selbst.
Hier scheint das Covid-Problem gelöst zu sein. Der Minibus ist voll besetzt. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich Bus fahre. Das erste Mal seit Covid.
Die Unsicherheit, mir auf dieser Fahrt Covid einzufangen – die fährt mit. Ich reise nach wie vor nicht blauäugig oder naiv. Aber seit ich geimpft bin, reise ich wenigstens angstfrei. Ich erinnere mich an meinen ersten Flug. Ungeimpft flog ich im Mai 2021 nach Deutschland, um mich impfen zu lassen. Schon Tage vorher hatte ich panische Angst, in ein Flugzeug zu steigen. Ich dachte, das sei mein sicherer Tod. Damals hatte ich mich aus Angst in die Business Class upgegradet – und das obwohl die Flieger zu diesem Zeitpunkt noch halb leer waren.
Heute lächle ich ein wenig über diese Angst. Aber ich weiß auch, dass ich nicht mehr wegen Covid sterben werde. Also, was ist das Schlimmste, was auf dieser Busfahrt passieren kann? – Dass mein nächster Covid-Test positiv ausfällt, ich in Quarantäne und meinen Aufenthalt hier um 2 oder 3 Wochen verlängern muss. Hund ist versorgt. Einen Flug nach Brasilien habe ich noch nicht gebucht. Zuhause wartet niemand auf mich. Meine Reiseversicherung deckt alles ab, auch eventuelle Umbuchungen. Ich habe noch mindestens vier Wochen Ferien. So what? Trotzdem krame ich in meinem Rucksack nach einer zweiten Maske.
Es ist 15:30 Uhr. Das Dach ist gepackt. Der Kofferraum auch. Dann kommen zwei Kartons mit Küken. Die waren nicht vorgesehen. Aber sie müssen unbedingt noch mit. Beherzt greift jemand zwei weitere Kartons, schneidet mit einem Taschenmesser mehrere Löcher hinein und deckt damit die Küken zu. Cheep cheep. Das Gezwitscher wird mich nun die nächsten Stunden begleiten.
Es ist 16 Uhr. Wir besteigen den Bus und… fahren erst einmal an die nächste Tankstelle. Die ersten Mitfahrer steigen aus, decken sich mit Getränken ein. Als alle wieder da sind und das Fahrzeug getankt ist, geht es erst einmal ins Ghetto. Dort wird noch ein Strahler abgeholt. Dieser wird direkt ans Fenster des Minibusses geliefert. Man wurde erwartet. Ein paar Scheinchen wandern durch das Fenster. Der Strahler wechselt den Besitzer. Die Fahrt geht weiter. Zumindest für ein paar Minuten. Denn drei Minuten später fahren wir auf den Parkplatz von KFC. Pippi Pause für diejenigen, die vor drei Minuten noch nicht auf die Toilette mussten und keine Lust auf Tankstellenfutter, sondern lieber frittiertes Hühnchen haben. Cheep cheep.
Um 16:17 Uhr sind wir schließlich auf der Landstraße und verlassen Georgetown. Das Auto riecht nach frittiertem Hühnchen, Chips und Popcorn… Und im Kofferraum quietscht es. Cheep cheep. Ich stöpsle mir die Kopfhörer in die Ohren und muss unweigerlich grinsen. Irgendwie ist Reisen immer noch genau wie vor Covid. Erst scheint nichts zu gehen und dann geht’s irgendwie doch.
Von Hektik ist hier keine Spur. Muss auch gar nicht. Die Fähre ist eh geschlossen und öffnet erst um 6 Uhr. Egal, ob wir dort um 2, 3 oder 5 Uhr ankommen.
Die erste Reihe hat mittlerweile komplett die Masken abgenommen. Während das Mädel in der Mitte sie nach ihrem KFC-Snack erst gar nicht mehr aufgesetzt hat, nahm die Frau auf der linken Seite die Maske ab, um besser telefonieren zu können. Und der Fahrer, der direkt vor mir sitzt, hat sie sowieso direkt runtergenommen, als er das Fenster voll runtergefahren hatte. Zirkulation. Sehr guter Gedanke. Dass wir aber gerade im Stau in der Hitze stehen und Zirkulation gerade echt nicht ist, scheint keiner zu realisieren.
40 Minuten später sind wir aus dem Stau raus. Der Fahrer lässt den Motor aufheulen und gibt Gas. Zirkulation. Die Umgebung rast an mir vorbei. Versucht da jemand, Zeit aufzuholen? Mag ihm jemand erklären, dass das nicht mehr funktionieren wird? Gar nicht mehr funktionieren kann? Ich lehne mich zurück, lege den Kopf gegen die Kopfstütze, grinse. Bunte Häuser sausen an uns vorbei. Alle sehen ziemlich runtergekommen aus.
Ich denke an das Gespräch mit Luke, meinem Fahrer, der mich vorhin vom Flughafen abgeholt hatte. Guyana ist seit 1966 unabhängig, sagte er. Es gibt die Theorie, wenn das Land nicht unabhängig von den Briten geworden wäre, die Situation hier jetzt besser wäre. Unabhängigkeit ist nicht immer etwas Gutes.
Ich schließe meine Augen und lasse unser Gespräch noch einmal Revue passieren. Direkt nach meiner Landung in Georgetown fragte er mich, ob ich auf dem Weg zur Unterkunft, die ich für vier Stunden gemietet hatte, um zu duschen, Tasche umzuräumen, mal kurz aufs Bett legen, noch etwas bräuchte. Bargeld, eine SIM-Karte, Coke Zero, Wasser, Bananen und ein Sicherheits-Update. Er lacht. Ich finde es immer wieder spannend, welche Art von Reisenden da aus dem Flugzeug steigen. In Guyana kommen nicht viele Reisende an. Die, die hier ankommen, kommen geschäftlich, sind Birdwatcher oder haben ordentlich Reiseerfahrung. Die brauchst du hier auch. Hier funktioniert nämlich nichts.
Wir biegen auf den Parkplatz einer Bank. Er lässt mich aussteigen. Drei Minuten später bin ich zurück. Wenn’s mal läuft… Zum SIM-Karten-Kauf begleitet er mich. Er ist nicht sicher, ob Reisepass und Hoteladresse ausreichen, um eine SIM-Karte zu kaufen. Tut es.
Kurz vor der Unterkunft zeigt er mir den Markt. Du kennst dich aus, oder? Ich nicke. Bananenkauf ist eine meiner leichtesten Übungen. So, jetzt pass‘ auf. Du trägst deine Sachen bei dir. Am Körper. Du kannst Bilder machen. Aber sei vorsichtig und umsichtig. Du fällst hier auf. Du bist weiß und blond. Das reicht aus, dass Menschen denken, du hast ein wertvolles Handy. Mehr als es dir aus der Hand reißen, wird hier aber nicht passieren. – Gibt es hier rote Zonen? – Ja, die gibt es. Da wirst du es aus Versehen aber nicht hinschaffen. Nicht heute. Noch was? – Nach Einbruch der Dunkelheit solltest du in der Hauptstadt in deiner Unterkunft sein…. When the sun goes down on my side of town. Cheep cheep. Ich schrecke auf. Offensichtlich bin ich mit meiner Musik in den Ohren eingenickt.
Wir stehen. Die Frau auf der Beifahrerseite nimmt gerade eine bunte Tüte entgegen. Sieht aus wie die Tüte eines Beauty Shops. Was so alles an die Grenze muss. Der Typ neben mir guckt mich an. Alles gut? – Ja, ich bin nur eingenickt. Er ist Polizist an der Grenze. Hat er mir vorhin erzählt. Am Montag muss er seinen Dienst antreten. Drei Monate Grenze, zwei Wochen Zuhause in Georgetown, dann wieder drei Monate Grenze. Ich nickte respektvoll. Da siehst du deine Familie echt nicht oft. – Du doch auch nicht. Du siehst deine noch weniger als ich. Recht hatte er.
Wir erreichen eine weitere Tankstelle. Der Fahrer dreht sich um zu mir. Letzte Toilette und vorerst letzter Halt für die nächsten Stunden. Ich steige aus. Mit dem KFC-Mädel suche ich die Toilette. Das Licht funktioniert nicht. Ist aber besser so. Bei dem Geruch will ich gar nicht wissen, wie es hier aussieht. Ich konzentriere mich auf das Pinkeln. Geht’s dir gut, fragt mich der Fahrer, als ich zurückkomme. Ich nicke. Die Straße wird jetzt schlimm. Das bleibt so bis du aussteigen musst. Ich kann es kaum glauben. Schlimmer als die Straßen in Guatemala. Schwer vorstellbar.
Kurz nach 19 Uhr. Keine zwei Minuten später verlassen wir tatsächlich die asphaltierte Straße. Eine Mischung aus Schotter und Lehm. Wenn’s hier regnet, wird’s ätzend, denke ich. Die Frage ist aber nicht, ob es regnet, sondern wann es zu regnen beginnen wird.
Und kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, beginnt es zu tröpfeln. Die kommenden Stunden sind eine Herausforderung. Beinfreiheit, ausreichend Platz – nicht vorhanden. Ausreichend frische Luft – aufgrund des Regens unmöglich. Anstatt aber besonnen durch den Regenwald zu fahren, scheinen wir auf der Flucht zu sein. Wenigstens bremst er vor den Kurven ab, denke ich. Ich habe das Gefühl, in einem Auto Scooter zu sitzen. Cheep cheep. Einzig die Hühnchen holen mich immer wieder in die Realität zurück. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass der Fahrer die Strecke kennt und ein geübter Fahrer ist. Gleichzeitig muss ich grinsen über die Naivität dieses Gedankens. Was nicht alles herhalten muss, um sich zu beruhigen. Und dann nicke ich weg…
Plötzlich tippt mich mein Sitznachbar an. Du musst aussteigen. Ich komme zu mir. Wir stecken fest. Es ist 2:30 Uhr. Ich schaffe mich aus dem Auto. Nicht so einfach. Meine Beine wollen sich kaum bewegen. Dann heißt es schieben. Der Bus steht voll im Matsch. Alle vier Reifen drehen durch. Und weil der Matsch die nächsten Meter anhält, laufen wir vor dem Bus her.
Gegen 4:30 Uhr halten wir auf einem Parkplatz an einer Art Rasthof. Ich suche die Toilette. Als ich zurückkehre, scheint es nicht, als würden wir unsere Fahrt gleich wieder fortsetzen. Ich gucke den Fahrer an. Das ist der letzte Rasthof vor der Fähre. Wir schlafen hier jetzt bis kurz vor 6 Uhr. Dann fahren wir zur Fähre und du bist in Iwokrama. Ich schaue auf die Uhr. Als um 19 Uhr die wilde Fahrt begann, hätte ich mir nicht träumen lassen, es jemals hier her zu schaffen. Aber ich habe ich es überstanden. Mein Wiederholungsbedarf liegt bei absolut Null. Und trotzdem bin ich irgendwie dankbar, die Erfahrung gemacht zu haben.
Der Polizist klopft mir auf die Schulter. Und, sind die Straßen in Guatemala schlechter? – Nein! Das hier kann mit Guatemala nicht mithalten. Ich bin überrascht, dass mir solche Worte überhaupt einmal über die Lippen kommen. Es gibt ein Land, das schlechtere Straße als die in Guatemala hat. Versuch‘ ne Stunde zu schlafen – du hast es hinter dir. Ich lächle müde. Und du?! Wie lange dauert es noch bis Lethem? – Ach, das wissen wir nie… vier bis sechs Stunden. Das hängt davon ab, wie viel es in der Nacht geregnet hat und ob wir uns noch einmal festfahren…
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