Corona Lockdown in Salvador: Interview mit Laura & Christoph
Corona Lockdown in Salvador – Interview mit Laura & Christoph
Lockdown in Guatemala
Am Freitag, den 13.03.2020 meldete Guatemala den ersten Corona-Fall im Land. Noch am selben Tag rief der Präsident den Ausnahmezustand aus. Und keine 24 Stunden später befand sich Guatemala im Lockdown. Während wir in den ersten beiden Wochen noch einen Lockdown light hatten, bei dem lediglich unter anderem der öffentliche Transport und das Herumreisen im Land verboten war, wurde dieser stufenweise einschränkender. Nach einem mehrtägigen völligen Lockdown, bei welchem vom einen auf den anderen Tag das Verlassen des Hauses verboten war – ich meine das wörtlich: die Verkündigung des absoluten Lockdowns wurde Donnerstag abends um 19 Uhr für den kommenden Tag bekannt gegeben – sind wir mittlerweile bei einem Lockdown nur am Wochenende und einer Ausgangssperre von unter der Woche ab 17 Uhr angekommen.
Lockdown in Zentralamerika
Es dauerte nicht lange, bis die restlichen Länder in Zentralamerika ebenfalls ihre Grenzen schlossen und eine Ausgangssperre verhängt wurde. Relativ bald kam ich aufgrund meines Blogs in Kontakt mit Christoph und Laura, die sich kurz vor den Grenzschließungen in Zentralamerika in El Salvador aufhielten und mit denen ich immer mal wieder in Kontakt war, um sie über die aktuelle Situation in Guatemala zu informieren.
Und weil ich im vergangenen Jahr El Salvador sowohl im September als auch im Dezember bereist hatte, das Land als unglaublich schön und vor allem herzlich wahrgenommen habe, gleichzeitig aber nur wenige Informationen über die Situation dort erhalten konnte, interessierte mich die Situation der beiden sehr und ich befragte sie zur ihrer ganz individuellen Situation zu Zeiten des Lockdowns in Zentralamerika.
Stellt euch doch mal kurz vor. Wer seid ihr? Woher kommt ihr?
Wir sind Christoph und Laura aus dem beschaulichen Radebeul bei Dresden. Christoph ist 29 Jahre alt, gelernter Metallbauer, mit anschließender Weiterbildung zum Techniker. Durch sein technisches Verständnis wurde der Ausbau unseres Campers erst möglich. Ich bin Laura, 27 Jahre alt, gelernte Handelsfachwirtin mit anschließendem BWL-Studium. Schon immer schlummert die Reiselust ganz tief in mir, was fehlte, war häufig der Mut. Als Christoph eines Tages sagte, „Komm, wir bauen einen Camper aus und bereisen Amerika“ wusste ich gleich, „wir machen das wirklich!“
Seit ca. 10 Jahren sind wir ein Paar. Der Traum vom Reisen schlummerte immer schon irgendwo in uns, konnte aber aus Zeit- und/oder Kostengründen nie umgesetzt werden. Als mein Studium und Christoph’s Weiterbildung abgeschlossen waren, haben wir beschlossen auf diese Reise zu sparen. Nebenbei wurde der Camper ausgebaut und der Plan geschmiedet, die Panamericana von Panama bis Alaska zu bereisen.
Wo seid ihr momentan?
Momentan sind wir in EL Salvador gestrandet. Untergekommen sind wir in dem kleinen Ort San Jose de la Majada (nahe Juayua). Wir leben seit mittlerweile 3 Monaten auf der Granja Don Alvaro, einem kleinen Bauernhof, der sich dem Verkauf und Anbau von Kaffee und Honig verschrieben hat. Ursprünglich wollten wir nur eine Nacht auf der hübschen Farm bleiben und nach einem leckeren Frühstück die Grenze zu Guatemala passieren. Genau an diesem Tag schlossen jedoch die Grenzen und wir fanden netter Weise langfristig auf der Farm Unterschlupf. Wir übernachten hier weiterhin in unserem Camper, den wir sicher und idyllisch auf dem Feld parken. Die öffentlichen Räumlichkeiten der Farm und des Cafés dürfen wir nutzen.
Wie erging es euch in den vergangenen Wochen?
Nach den Grenzschließungen konnten wir uns vorerst weiterhin relativ frei bewegen. Wir konnten mit dem Bus in die Stadt fahren, um unsere Einkäufe zu erledigen oder mal eben im Dorf ein Eis kaufen gehen. Wir haben diese Zeit als relativ entspannt erlebt. Als Pause von dem Reisen, in der wir viel Zeit mit uns selbst und den Tieren um uns herum verbringen. Nach ca. einem Monat wurden strikte Ausgangssperren verhängt. Öffentliche Verkehrsmittel fahren seither keine mehr und unsere Bewegungsfreiheit ist seither stark eingeschränkt. Seither halten wir uns fast ausschließlich auf dem Gelände der Farm auf, verlassen diese nur, wenn es wirklich notwendig ist.
Fragt man Christoph, so erging es ihm entsprechend der Umstände sehr gut. Er fühlt sich sicher, gut aufgehoben und willkommen hier. Er ist dankbar für die Gastfreundschaft, die uns widerfährt.
Fragt man mich, so fühle ich all das ebenfalls. Natürlich weiß auch ich, welches Glück wir haben, genau hier gelandet zu sein und eine solche Hilfsbereitschaft zu erleben. Trotzdem erlebe ich die Zeit der Isolation als ein Auf und Ab der Gefühle. Nach Monaten voller neuer Menschen und Eindrücke, ständig neuer Orte ist dies hier ein harter Kontrast. Hinzu kommt natürlich die Angst, nicht weiterreisen zu können oder vor einer weiteren Verschlechterung der Situation im Land.
Seid ihr in Kontakt mit der Botschaft oder dem Auswärtigen Amt? Gab/Gibt es Unterstützung von der Seite?
Ja, wir stehen in Kontakt mit der Botschaft von El Salvador und Guatemala. Den Kontakt haben wir als freundlich und unterstützend erlebt. Uns wurde die Teilnahme an den Flügen des Rückholprogramms angeboten und der Kontakt zu einem Unternehmen, welches die Verschiffung unseres Campers übernehmen kann, hergestellt.
Habt ihr nie darüber nachgedacht, vielleicht einen dieser Flüge des Rückholprogramms zu nehmen? Warum (nicht)?
Über die Teilnahme an den Flügen haben wir natürlich nachgedacht. Wir haben, vor allem zu Beginn der Krise lange darüber diskutiert (sogar eine Pro- und Kontra-Liste erstellt). Letztendlich ist die Entscheidung zu bleiben jedoch aus dem Bauch heraus gefallen. Wir haben uns hier einfach so wohl und sicher gefühlt, dass wir beschlossen haben, den Reisetraum noch nicht aufzugeben und zu bleiben. Letztendlich schrecken uns auch die sehr hohen Kosten für die Verschiffung unseres Campers ab, denn dieser müsste durch den Panama-Kanal geschleust werden. In der Kürze der Zeit, zwischen Information über mögliche Flüge bis zum Abflug, hätten wir all das auch nicht organisieren können.
Gibt es Restriktionen von Seiten der Regierung?
Ja, es herrschen unseres Wissens nach folgende Restriktionen:
- Maskenpflicht
- Ausgangsbeschränkungen anhand von Passnummern
- Keine öffentlichen Verkehrsmittel
- Autofahrten nur, wenn unbedingt notwendig
Wie erlebt ihr die ganze Corona-Situation vor Ort?
Was wir mitbekommen, sind geschlossene Parks und Restaurants sowie Cafes. In den Städten sowie Dörfern herrscht sehr viel weniger Leben. Kleine Verkaufsstände sind geschlossen, die Menschen prinzipiell sehr vorsichtig und zumeist in ihren Häusern. Es verkehren keine Busse mehr, allgemein herrscht sehr wenig Verkehr auf den Straßen. An Supermärkten sowie den Märkten bilden sich Schlangen, da nur eine gewisse Anzahl an Kunden eingelassen wird. Weitere Informationen, wie aktuelle Infektionszahlen, erhalten wir aus den Nachrichten oder von unseren Bekannten vor Ort.
Habt ihr Kontakt zu Einheimischen? Und wenn ja, wie ist der Umgang mit euch?
Wir haben Kontakt zu den Mitarbeitern und den Besitzern der Farm sowie zu unserem Nachbarn, der uns hin und wieder zum Essen einlädt.
Der Umgang ist unheimlich freundlich. Unser Nachbar bringt uns hin und wieder Kaffee oder Früchte vorbei. Wir dürfen ihn (durch ein Loch im Zaun) besuchen, wann immer wir möchten. Der Farmer hilft uns, wo er kann (mmt. bei Einkäufen oder dem Auffüllen der Gasflaschen), macht uns kleine Geschenke oder teilt einfach, was gerade da ist. Auch bei Erledigungen in der Stadt werden wir stets freundlich behandelt, Anfeindungen haben wir noch nicht erlebt.
Wie sieht denn aktuell ein Tag bei euch aus?
Ein typischer Tag (vor Beginn der Regenzeit) sah bei uns folgendermaßen aus: nach dem Aufstehen mache ich eine Runde Yoga, während Christoph eine Runde mit den Hunden über die Felder spaziert. Anschließend wird ausgiebig gefrühstückt, in der Sonne gesessen und gequatscht. Nach dem Aufräumen haben wir viel Zeit zum Lesen, Podcast hören, in der Hängematte liegen, Spiele spielen oder Dinge wie Wäsche waschen oder Einkäufe zu erledigen. Gegen Abend gehen wir eine große Runde mit den Hunden spazieren und pflücken dabei Avocados, Mangos und Limetten. Dann wird lecker gekocht, Abendbrot gegessen und manchmal noch ein Film angeschaut.
Seit dem Beginn der Regenzeit und der teilweise tagelang andauernden Regenfälle sind unsere Aktivitäten eher auf drinnen beschränkt. Wir können uns zum Glück in den Räumlichkeiten des Cafés aufhalten, hier wird jetzt also mehr gelesen, gekocht und geredet.
Ist euch in den vergangenen Wochen etwas besonders Positives widerfahren?
Besonders dankbar sind wir natürlich für unseren sicheren und kostenfreien Stellplatz hier auf der Farm. Ohne diese Möglichkeit wären wir nach der Grenzschließung sicher in einer verzweifelten Lage gewesen. Ich denke, diesen Ort zu finden ist das Beste, das uns in dieser Situation passieren konnte. Die kleinen Hilfestellungen unserer Mitmenschen, das freundliche Miteinander und die kleinen Geschenke verschönern und erleichtern uns das Leben hier ebenfalls sehr.
Habt ihr eine überaus negative Erfahrung in den vergangenen Wochen gemacht?
Wir haben zumindest keine menschengemachten negativen Erfahrungen gemacht. Natürlich erleben wir die langen und anhaltenden Ausgangsbeschränkungen und Grenzschließungen als negativ. Sie zehren an unseren Nerven sowie Reisebudget, sind aber teilweise verständlich.
Wie sieht eure weitere Reiseplanung aus?
Wir halten an unserem Plan gen Norden zu fahren weiterhin fest. Ob sich unser Ursprungsplan, bis Alaska zu reisen, umsetzen lässt, steht in den Sternen. Aber wir versuchen weiterhin, schnellstmöglich die mexikanische Grenze erreichen zu können. Solange wir es aushalten, werden wir hier ausharren und auf die Möglichkeit der Weiterreise hoffen. Einen richtigen Plan B haben wir nicht, dafür Zuversicht und noch etwas Zeit. Sollte es sich nicht mehr richtig anfühlen zu bleiben, werden wir einen Weg für uns und unseren Camper finden, um zurück nach Europa zu gelangen.
Laura und Christoph teilen ihre Reiseerlebnisse auch auf Instagram: Wir.fahren.Ford.
Liebe Laura, lieber Christoph, ich danke euch sehr für dieses aufschlussreiche Interview! Auch wenn aktuell völlig unklar ist, wann sich die Situation in Zentralamerika verändern wird, wünsche ich euch gutes Durchhaltevermögen und vor allem dass ihr eure Reise tatsächlich irgendwann fortsetzen könnt!