Aufräumen mit Vorurteilen: Dinge in Brasilien, die du weder tun noch sagen solltest
Aufräumen mit Vorurteilen: Dinge in Brasilien, die du weder tun noch sagen solltest
Wenn ich früher an Brasilien dachte, dann schossen mir direkt drei Dinge in den Kopf: Die Jesus-Statue, der Karneval von Rio und der Amazonas Regenwald. Hinzu kamen Bilder von leicht bekleideten Frauen, die sich an der Copacabana am Strand räkeln. Eines haben alle diese Gedanken und Vorstellungen gemeinsam: Es sind Stereotypen. Mit der Realität haben sie aber wenig zu tun.
Und weil ich offensichtlich nicht von Stereotypen gefeit bin und dir nun einfach einmal unterstelle, dass du dieselben oder zumindest ähnliche Bilder hast wie ich, möchte ich heute mit ein paar Dingen aufräumen und dir Fakten und nicht Stereotypen geben. Es geht also um Dinge in Brasilien, die du weder tun, noch sagen und am besten auch nicht denken oder glauben solltest.
#1 Der Amazonas ist nicht Brasilien
Der Amazonas Regenwald befindet sich im Nordwesten von Brasilien, geht dann über nach Peru, Kolumbien, Ecuador, Guyana und Suriname. Fast zwei Drittel des Amazonas Regenwaldes liegen dabei in Brasilien und für Städte, wie beispielsweise Manaus spielt der Amazonas Regenwald touristisch gesehen eine große Rolle.
Dennoch: Der Rest von Brasilien ist nicht der Amazonas Regenwald und daher haben viele Städte überhaupt keinen Bezug dazu (von Sao Paulo nach Manaus sind es beispielsweise 4.000km oder vier Flugstunden) oder eine völlig andere Landschaft.
#2 Rio de Janeiro ist nicht die Hauptstadt von Brasilien
Ich weiß nicht warum, aber irgendwie ging ich davon aus, dass die Hauptstadt des Karnevals auch die Hauptstadt des Landes sein musste. Falsch. Die Hauptstadt von Brasilien ist Brasilia und liegt in Zentral-Brasilien.
#3 Brasilien ist kein Entwicklungsland
Brasilien hatte seine Setbacks, eine durchaus schwierige Situation und eine kriminelle Vergangenheit. Was du aber in keinem Fall annehmen solltest, ist dass Brasilien ein Entwicklungsland ist. Das ist es nämlich absolut nicht.
Brasilien ist wahrscheinlich auf dem südamerikanischen Kontinent das Land, das am weitesten entwickelt ist und kann gut und gerne mit Städten in den USA und Orten in Europa mithalten.
Ein Aber gibt es trotzdem: Das gilt insgesamt für Städte und Orte, die tendenziell an der Küste liegen. Orte, die im Landesinneren liegen, haben nicht immer denselben Standard und dieselbe Infrastruktur wie beispielsweise die Metropolen Sao Paulo und Rio de Janeiro.
#4 Brasilianisches Essen ist nicht fettig oder besteht nur aus Fast Food
Natürlich gibt es in Brasilien auch Mc Donald’s, Pizza Hut und Co., aber eben nicht nur. Die brasilianische Küche ist extrem lecker und vielseitig. Es gibt durchaus einiges, das fettig ist oder in einer Panade frittiert wurde, aber es gibt auch zahlreiche richtig gute Käsesorten, Eintöpfe und vor allem leckeres, gegrilltes Fleisch mit viel frischem Gemüse.
Was Brasilien übrigens ebenfalls richtig gut kann, ist Kuchen, Eiscreme, Schokolade und anderen Süßkram. Dabei zeichnen sich die Leckereien aber nicht durch etwa einen öligen oder extrem süßen Geschmack – kennst du doch bestimmt von der Schokoladenproduktion – aus, der alles andere übertüncht, sondern durch präzise Geschmacksexplosionen. Eine Süßigkeit, die Trauben verspricht, schmeckt intensiv nach Trauben. Eine Süßigkeit auf Joghurt-Basis hat einen leckeren Joghurt als Basis. Und Schoko-Pralines schmecken nach edelster Schokolade.
#5 Brasilianer sprechen kein Brasilianisch, sondern Portugiesisch
Brasilien spricht nicht Brasilianisch, sondern Portugiesisch. Und im Unterschied zu der weitläufigen Meinung und den Informationen, die man im Internet bekommt, dass die Zweitsprache Spanisch sei, so ist dem nicht so.
Brasilien hat mich ehrlich gesagt häufiger an meine sprachlichen Grenzen gebracht und häufig fühlte ich mich an meine Anfangszeit in Guatemala zurück erinnert: Man redet mit mir und ich verstehe kein Wort und werde gleichzeitig nicht verstanden. Vor allem in Sao Paulo kam ich weder mit Spanisch noch mit Englisch sonderlich weit. Sao Paulo ist zwar eine sehr kosmopolitische Stadt, aber nicht von vielen Touristen besucht. Als Konsequenz wird dort nahezu kein Englisch und nur ein klein wenig Spanisch gesprochen.
An anderen Orten des Landes verhielt es sich anders. In Hostels und Hotels an Touri-Hotspots wurde häufig Englisch gesprochen. Meine Airbnb-Hosts sprachen meist auch Spanisch und ein gebrochenes Englisch. Im Großen und Ganzen war es aber so, dass ich auf Spanisch gesprochen habe und die Antworten auf Portugiesisch bekam und sowohl ich als auch mein Gegenüber aus dem Kontext der ähnlichen Worte dann den Inhalt erschlossen haben, wobei ich glaube, dass meine Gegenüber meist mehr Spanisch verstanden habe als ich Portugiesisch.
Fakt ist, dass meine Spanisch Skills ordentlich zulegten und ich, nachdem ich meinem Sandboard-Lehrer auf Spanisch den Unterschied zwischen Snowboarden und Sandboarden erklärt hatte (es gibt sie – sie sind enorm), Spanisch zu denken begann. Ein Hoch auf Sprach-Akquisition. 😀
#6 Es gibt nicht nur Mord und Totschlag in Brasilien
Durchaus, der Sicherheitsaspekt, die Kriminalität und Gewalt sollten bei einer Reise durch Brasilien nicht ignoriert werden, aber Brasilien ist im Großen und Ganzen ein sicheres Land. An touristischen Orten der größeren Städte ist es ebenfalls relativ sicher, wenngleich du natürlich deine eigenen Vorkehrungen in Bezug auf Handtaschendiebstahl treffen solltest. Es ist jedenfalls nicht Gang und Gebe, dass es Schießereien auf der Straße oder offensichtlichen Drogenhandel gibt.
Dass ich mich in großen Städten und Metropolen größtenteils sicher bis sehr sicher gefühlt habe, ist aber wahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass die Menschen an touristischeren Orten insgesamt mehr Wohlstand haben als an völlig untouristischen Orten und – Hand auf’s Herz – bestimmt auch darauf, dass Orte, an denen es viele Menschen gibt, komplett videoüberwacht sind. So ist beispielsweise nicht nur die Hafenpromenade von Balneario Camboriu mit Kameras ausgestattet, sondern auch die komplette Copacabana in Rio de Janeiro.
Eine Einschränkung in Bezug auf die Sicherheit möchte ich dennoch machen: Die Flüchtlingssituation in Sao Paulo ließ bei mir ein anderes Gefühl entstehen, aber dieses haben wahrscheinlich nicht nur Touristen, sondern auch die Einheimischen – am Plaza Central vor der Kathedrale wirst du kaum einen Einheimischen mehr finden.
#7 Nicht alle Brasilianer können Samba
Nur weil Brasilien das Land des Sambas ist, heißt das nicht, dass auch jeder Brasilianer Samba tanzen kann oder gar will. Westliche Musik, Rock, Pop und Elektro ist in Brasilien genauso beliebt wie in den USA oder Europa.
#8 Brasilianer sind ignorant
Aus einer Expat-Gruppe habe ich von diversen schlechten bzw. eher ignorantem Verhalten von Brasilianern gegenüber Touristen erfahren. Es hieß dort unter anderem auf die Bemerkung eines Reisenden, dass er häufig einfach stehengelassen und völlig ignoriert würde: „I recognize the walk away thing. Happens all the time. The Brazilians just turn back on you if it doesnt suit. Supermarket, shops, restaurants…“
Soll heißen: Wenn es ihnen nicht passt, lassen sie dich einfach stehen. Wenngleich ich ein wenig schmunzeln muss (das ist doch mal straight 😀 ), war ich etwas entsetzt über eine solche Deutlichkeit, Frequenz und ein solches Verhalten, denn ich hatte während meiner Reise das komplette Gegenteil an Verhalten erfahren. Vielmehr war es so, dass ich häufig mehr Hilfe als überhaupt notwendig bekam. Einmal hatte ich ein Problem damit, ein Uber an einer Stelle zu bekommen. Mehrere Brasilianer versuchten dann mit verschiedenen Apps eine Fahrt-Möglichkeit für mich zu suchen. Von einer Brasilianerin wurde ich schließlich zu einem belebten Restaurant gefahren, weil sie davon ausging, dass ich dort bessere Chancen hatte, ein Uber zu bekommen.
Überdies hatte ich nie Probleme in Restaurants. Im Gegenteil: Ich hatte immer das Gefühl, dass man sich freute, dass ich da war.
Naja, vielleicht hat’s auch einfach immer gepasst. 😉 Ich war trotzdem froh für die Vorwarnung, um nicht völlig irritiert zu sein, wenn es mir widerfahren wäre.
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Blogbeiträge über meine Reise durch Brasilien
Wissenswertes allgemein
Meine Gründe für eine Reise nach Brasilien – Einreise nach Brasilien – Wissenswertes über Brasilien – Vorurteile über Brasilien – Autofahren in Brasilien – Busfahren in Brasilien – Inlandsflüge in Brasilien – Apps und Webseiten bei der Reiseplanung
Blogbeiträge zu Reisestationen
Sao Paulo – Blumenau – Balneario Camboriu – Florianopolis: Orte auf Florianopolis – Highlights auf Florianopolis – Mountainbiking auf Floripa – Porto Alegre – Recife & Olinda – Porto de Galinhas – Salvador – Morro do Chapeu – Manaus und der Amazonas Regenwald – Rio de Janeiro: Fotospaziergang durch Rio – Favela Tour – Christusstatue – Helikopterflug über Rio de Janeiro