Seltsame Dinge, die in Guatemala jedoch völlig normal sind
Seltsame Dinge, die in Guatemala völlig normal sind
Seit fast einem Jahr bin ich nun in Guatemala. Ein anderer Kontinent, ein anderes Land geht einher mit einer anderen Kultur. Trotz meiner langjährigen Reiseerfahrungen und meinem Bewusstsein, dass es überall auf dieser Welt anders als in Deutschland zugeht, habe ich in Guatemala in den vergangenen Monaten Dinge gesehen und erlebt, die mich manchmal wirklich stutzig machten, die total überraschend oder einfach nur seltsam für mich waren. Heute werde ich dir von ein paar solcher Dinge erzählen. Zehn seltsame Dinge, die einem vielleicht komplett seltsam erscheinen (mir ging es zumindest so! 😉 ), die in Guatemala jedoch total normal sind.
# 1: Der Kauf von Eiern
Ja, richtig! Eierkauf! Wenn du in Deutschland Eier kaufst, erhältst du diese für gewöhnlich im 6er- oder im 10er Pack. Sind sie in einem Supermarkt gerade im Angebot, dann vielleicht auch ab und an mal im 18er Pack. In Guatemala kennt man das nicht, denn in Guatemala kaufst du Eier entweder einzeln (in Tiendas oder auf dem Markt), im 12er-, 18er oder 30er Pack.
Einen ähnlichen Unterschied gibt es bei den Gewichtsangaben: Es gibt in Guatemala für gewöhnlich keine Angaben in Kilogramm, sondern ausschließlich in libra oder media libra. Zurückzuführen ist dies natürlich auf den amerikanischen Einfluss. Der deutsche Einkaufskopf muss sich da aber erst einmal dran gewöhnen.
#2 No tenga pena
Dem Ausdruck No tenga pena begegne ich überall und immer wieder in Guatemala. Tenga (yo tenga, tu tengas, ella tenga) ist dabei der Subjuntivo, den man im Spanischen verwendet, um über Gefühle und Wünsche zu sprechen, des Verbes tener (haben). Wörtlich übersetzt bedeutet die Aussage „Hab‘ keinen Schmerz“. So richtig Sinn macht eine solche Aussage bei wörtlicher Übersetzung nicht. Kein Wunder also, dass ich so meine Problemchen mit diesem Ausdruck hatte und mich immer wieder fragte, was dieser bedeuten soll.
Frei übersetzt heißt es so viel wie: Kein Ding, kein Stress, keine Sorge, alles gut!
Wenn du also an der Supermarktkasse mal wieder zu lange brauchst, um dein Geld raus zu zählen, du etwas vergessen hast und noch einmal zurück in den Laden musst, du dich auf dem Markt dazu entscheidest, etwas doch nicht zu kaufen oder du einfach mal wieder kein Kleingeld bei dir hast und dem Verkäufer auf dem Markt dadurch ein wenig mehr Arbeit machst, weil er erst auf die Suche nach Wechselgeld gehen muss oder du zum Verstauen von Sachen in deinem Auto auf dem Parkplatz nicht bemerkst, dass die Frau neben dir eigentlich in ihr Auto einsteigen will, dies wegen dir aber nicht kann und du dich daraufhin entschuldigst, dann wirst du No tenga pena in Guatemala begegnen.
#3 Straßennamen
Von den wirklich großen Straßen einmal abgesehen, gibt es in Guatemala keine Straßennamen, sondern ausschließlich Zahlen für die Bezeichnung von Straßen. Dabei wird zwischen Avenidas, Calles und Diagonales unterschieden.
Die Avenidas sind hierbei Hauptstraßen, die immer in eine Himmelsrichtung verlaufen, die Calles die dazugehörigen Seitenstraßen und die Diagonales die Straßen, die eben diagonal verlaufen. All diese unterschiedlichen Straßen haben eines gemeinsam: Die Zahlen der jeweiligen Straßen werden hoch- bzw. runtergezählt – je nachdem, in welche Richtung du fährst. Das heißt: Auf die 18 Calle folgt die 19 Calle, dann die 20, die 21 und so weiter.
Für gewöhnlich sind all diese Calles und – je nach Größe – Avenidas auch Einbahnstraßen: Während die 18, 20 und 22 Calle in die eine Richtung führen, führen die ungeraden Calles in die andere Richtung.
Was auf den ersten Blick total seltsam erscheint, stellt sich aber schnell als überaus hilfreich heraus: Du brauchst in Guatemala nämlich keine Bezeichnung für Straßennamen lernen und kannst sofort einschätzen, wo genau du bist und in welche Richtung die nächste Einbahnstraße führen wird.
#4 Tiendas und Comedors
Wenn du schon einmal durch Südostasien, Süd- oder Zentralamerika gereist bist, erzähle ich dir hier nichts Neues, in Deutschland gibt es sie jedoch nicht.
Tiendas und Comedors findest du in Guatemala an jeder Ecke. Nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land oder auch mal auf gut befahrenen Straßen außerhalb von Dörfern oder in Randbezirken.
Während es sich bei den Tiendas um kleine Läden handelt, in welchen du nahezu alles an Kleinscheiß bekommen kannst – Kaltgetränke, Zigaretten, Kekse, Konserven, Eier und eine kleine Auswahl an den basic Nahrungsmitteln, wie Bananen, Plaintains, Tomaten, Kartoffeln, Reis und Zwiebeln – gibt es in den Comedors warme Mahlzeiten. Manche Comedors bieten zur Morgenzeit lediglich desayunos und zur Mittagszeit almuerzos an, wieder andere verkaufen ebenfalls cenas, die Abendessen.
Aufgrund der Tatsache dass diese Mahlzeiten am Morgen für den kompletten Tag zubereitet werden, die Auswahl bei den einzelnen Gerichten nicht sonderlich groß ist, ist der Preis sehr gering: Eine Mahlzeit erhältst du dort zwischen Q15 und Q25.
Mehr Informationen zu diesen kleinen Restaurants findest du in einem Artikel über günstige Restaurants in Antigua.
#5 Tankstellen und der service completo
Selbst tanken ist etwas, das man glaube ich wirklich nur in Deutschland oder Europa macht, ganz sicher aber nicht in Guatemala. Tankstellen gibt es in Guatemala ohne Ende und von unterschiedlichsten Anbietern – auch Shell ist vertreten.
All diese Tankstellen haben eine Gemeinsamkeit: Sie bieten einen sogenannten service completo an. Dieser beinhaltet nicht nur, dass du dein Auto nicht selbst tanken musst, sondern dass dir auch bei jedem Tankstellenstopp kostenlos Wasser nachgefüllt, der Reifendruck gemessen und die Fenster gewischt werden.
Was jedoch auf den ersten Blick nach einerseits Autofahrer-Faulheit unterstützen und andererseits Arbeitsplätze schaffen klingt, hat einen weiteren Grund: Die Sicherheit. In vielen Gegenden ist es nicht sicher, das Auto zum Bezahlen in der Tankstelle zu verlassen, sondern alles bei geöffnetem Fenster zu veranlassen.
Übrigens solltest du aufgrund der Straßenverhältnisse hier auch nach allen zwei bis drei Tankvorgängen unbedingt den Reifendruck des Fahrzeuges überprüfen lassen.
#6 car wash in Guatemala
Was es für gewöhnlich an nahezu jeder Tankstelle in Deutschland gibt, ist eine Waschanlage. An Tankstellen in Guatemala gibt es dies nicht. Um dein Auto waschen zu lassen, fährst du einen Waschservice an.
Auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Du kannst dein Auto direkt an der Straße waschen– den lavador hierfür erkennst du an den Schildern, die eigens dafür am Straßenrand stehen – in einem Waschpark oder häufig auch in der Tiefgarage eines Supermarktes oder einer Shopping Mall waschen lassen.
Der Preis hierfür ist sehr überschaubar und liegt zwischen Q25 und Q40.
Action ist bei dieser Waschaktion übrigens vorprogrammiert, denn binnen weniger Minuten machen sich drei Männlein an deinem Auto zugange – denn gewaschen wird in Guatemala überall von Hand.
#7 auto bancos
Den Drive Through von Mc Donald’s kennst du sicherlich in Deutschland. Diesen gibt es in Guatemala ebenfalls. Und weil Sicherheit in Guatemala groß geschrieben wird, musst du hier auch nicht einmal für deinen coffee to go mehr aus dem Auto steigen musst, denn auch Starbucks und Co. haben einen Autoschalter. Völlig neu war mir jedoch, dass du auch deine Bankgeschäfte in sogenannten auto bancos erledigen kannst: Geld ziehen am Geldautomaten und Überweisungen tätigen vom Autofenster aus?! – In Guatemala absolut kein Problem!
Und damit du deine Bankgeschäfte wirklich völlig entspannt erledigen kannst, sei dir sicher: Das kleine bewaffnete Männlein wird hinter deinem Auto stehen und auf dich aufpassen.
#8 Äste auf der Straße
Zugegeben, wenn du öfter schon in Mittel- oder Südamerika unterwegs warst, ist dies nichts wirklich Neues für dich. War es für mich eigentlich auch nicht. So richtig bewusst wahrgenommen hatte ich es aber auf meinen vergangenen Reisen nicht. Zumindest never ever mit solchen Hintergedanken.
Bevor ich nach Guatemala gehen durfte, um dort meinen Auslandsschuldienst anzutreten, musste ich zu einem dreitägigen Sicherheitstraining. Diese Fortbildung diente als Coaching für ein zentral- und südamerikanisches Land mit einem erhöhten Gefahrenpotenzial. Themen dieser durchaus sehr aktivitätsfördernden Fortbildung waren neben Express-Kidnapping, Überfällen, Raub auch Straßensperren, Unfälle und Polizeikontrollen – sowohl echte als auch gefakte.
Eine Möglichkeit für Kriminelle, an schnelles Geld oder gar ein Auto zu kommen, bestehe darin, gefakte Straßensperren zu errichten, Polizeikontrollen mit verkleideten Kriminellen durchzuführen oder ein Unfallszenario nachzustellen. Bremst der Autofahrer dann ab, hält an, um Hilfe zu leisten, Dokumente vorzuweisen oder Ähnliches, entpuppten sich die Akteure als Kriminelle.
Kein Wunder, dass ich während meiner ersten Wochen auf Guatemalas Straßen bei sämtlichen Polizeikontrollen und Ästen, die auf der Straße lagen – die bisher überdies tatsächlich ein liegen gebliebenes Auto, einen Pannen-LKW oder einen Unfall anzeigten – einen Adrenalinschub und Herzrasen bekam.
#9 Rampa de emergencia oder: Der Notfall-Prellbock?!
Auf Autobahnen oder ausgewählten zwei- oder dreispurig ausgebauten Landstraßen – vor allem jene, die bergab führen – findest du in Guatemala immer wieder seltsame Markierungen auf den Fahrspuren und Schilder, die eine rampa de emergencia ankündigen.
Sie befinden sich in Kurven an einer Straße, die stärker bergab führt. Mehrfach fordern dich vorab Schilder dazu auf, die Motorbremse beim Bremsvorgang einzusetzen und deine Bremsen auf Funktionstüchtigkeit zu überprüfen, bevor du die rampa de emergencia schließlich erreichst. Sie selbst besteht aus einem mehreren Metern langen, tiefen Kiesbett.
Spooky wird dies, wenn dir der Grund für diese rampa de emergencia klar wird: Wenn die Bremsen eines Fahrzeuges versagen, dienen die rampas als Bremsen.
#10 love hotels
Wenn du schon ein bisschen in der Welt herumgekommen bist, dann weißt du, dass es überall auf der Welt die unterschiedlichsten Hotels für die verschiedensten Bedürfnisse gibt – sei es ein Sterbehotel in Indien, ein Stundenhotel irgendwo in Korea oder ein Hostal Südamerika. Trotz der Tatsache, dass mir allzu bewusst ist, dass es diese Art von Hotels gibt, empfand ich es als äußerst seltsam, in Guatemala am Straßenrand riesige Schilder mit einer offensichtlichen Ankündigung eines solchen love oder auto hotels zu sehen.
Bei diesen handelt es sich um genau das, was der Name schon verspricht: Love hotels entsprechen hierbei wohl am besten deutschen Stundenhotels. Es sind günstige Hotels, in welchen Liebende sich anonym für einen bestimmten Zeitraum treffen können. Die auto hotels hingegen sind zuallermeist kleine Garagen in einem großen Gebäudekomplex, in welchem sich Liebende in ihren Autos vergnügen können.
Du fragst dich, warum es so etwas in Guatemala gibt? – Ganz einfach:
Wie in vielen anderen Kulturen auf dieser Welt zieht ein Paar erst dann zusammen in eine Wohnung oder in Haus, wenn es verheiratet ist. Öffentliche Liebesbekundungen, Händchenhalten, Knutschen wird erst dann von der Gesellschaft akzeptiert, wenn ein Paar verheiratet ist. Bis es also zur Hochzeit kommt, werden love hotels gebucht.
Ein weiterer Grund ist der, dass Guatemala ein stark patriarchalisch geprägtes Land und der Ehemann gerne auch mal mehrere Frauen trifft. Anonymität ist in love hotels garantiert.
Gibt es etwas, das dir in Guatemala aufgefallen ist, das du als seltsam oder total neu empfunden hast? Wenn ja, dann poste es in die Kommentare!
Bist du auf der Suche nach weiteren hilfreichen Tipps für deine Reise nach Guatemala? – Dann stöbere doch einmal auf meiner Guatemala-Seite. Oder suchst du Spezifischeres und benötigst Informationen zur Einreise nach Guatemala, Wissenswertes & Sehenswürdigkeiten in Guatemala, Allgemeineres für deine Reise nach Guatemala, Hilfestellungen zur Bargeldabhebung, ein kurzes Briefing über 15 Dinge, die du auf keinen Fall in Guatemala machen solltest oder 10 seltsame Dinge, die in Guatemala völlig normal sind? Auch wenn du dich über Transportmöglichkeiten, wie Uber und Taxi, dem Chicken Bus, das Autofahren in Guatemala oder das Fahren mit der Transmetro in Guatemala Stadt informieren möchtest, bist du hier natürlich richtig! 😉
Theresa
Dezember 12, 2018 @ 9:49 am
Hi Manu, danke für den interessanten Beitrag. Ich war selbst vor ein paar Monaten in Guatemala (habe vorher in Mexiko gelebt) und kann alles 1:1 unterschreiben. Nach einer Weile erscheinen einem die meisten Dinge sogar normal. Aber noch ein Mal so rausgefiltert, hast du natürlich vollkommen Recht, seltsam ist es allemal.
Liebe Grüße
Theresa
Manu
Dezember 12, 2018 @ 10:14 am
Liebe Theresa, danke für dein Feedback. Ich war auch schon in Mexiko und großen Teilen Südamerikas unterwegs. Mit diesem Hintergrund erscheint vieles ähnlich, aber gerade im Hinblick auf den deutschen Vergleich gibt es doch weitreichende Unterschiede. 😉