Travelling Nicaragua and meeting its people – meine persönlichen Eindrücke
Eine erste Nacht und ein erster Morgen in Nicaragua
Es ist meiner erster Tag in Nicaragua auf der Insel Ometepe. Ich habe geschlafen wie ein Stein und vor allem ohne Ohropax, mit denen ich regelmäßig in Guatemala Stadt schlafe, in den Ohren. Gegen 5:30 Uhr wache ich auf, denn der Dschungel um mich und meinen Bungalow auf der Finca del Sol herum ist ebenfalls bereits wach.
Die Grillen zirpen. Unterschiedliche Vögel pfeifen. Hähne krähen. Als ich ins Bad gehe, um mir den Schlaf aus den Augen zu waschen, laufen mir zwei kleine Geckos über die Füße…
Mit meinem Kaffee setze ich mich auf meine Terrasse, betrachte den Vulkan Concepcion und den See, die vor mir liegen, lausche den Geräuschen der Natur. Die Insel schläft noch. Kein Geräusch von Fahrzeugen oder Rollern ist zu vernehmen. Und die Pferde auf der Pferdekoppel vor meinem Bungalow nehmen in aller Ruhe ihr Frühstück ein.
Scootering Ometepe Island
Mit meinem Kaffeebecher in der Hand überlege ich, worauf ich heute Lust habe. Ich brauche nicht lange zu überlegen, denn mein Bauch sagt mir ganz eindeutig: Mit dem Roller über die Insel cruisen.
Gesagt getan. Zwei Stunden später sitze ich auf meinem Gefährt und knattere auf der Seite des Vulkans Maderas.
Und während mir der Fahrtwind um die Ohren pfeift, meine Haare ganz schön durcheinander wirbelt (ja, Mama, ich fahre ohne Helm, I am sorry), denke ich an meine gestrige Fahrt hier her…
Thoughts on a scooter…
Die Straßen in Nicaragua auf der Strecke von Managua nach San Jorge sind – abgesehen von der Straße direkt nach dem Flughafen, denn diese wird gerade auf drei Spuren ausgebaut – super. Keine Schlaglöcher. Keine Betonplatten. Nahezu frisch asphaltiert. Straßenmarkierungen.
Kein Vergleich zu den Straßen in Guatemala, die sich im Vergleich dazu in einem wahrlich erbärmlichen Zustand befinden, die voll von Schlaglöchern, gebrochenen Betonplatten sind.
Im Gegensatz zur Qualität der Straßen stehen die Häuser und Grundstücke, die sich an den Straßen oder in den Dörfern und Städten befinden, die ich mit meinem Fahrer Pedro passiere.
Es sind teilweise Baracken. Aus Wellblech, Holz, Ziegelsteine oder Beton. Teilweise sind sie kaum größer als mein Schlafzimmer in meiner Wohnung in Guatemala Stadt. Die Toiletten befinden sich teilweise außerhalb der Häuser. Es sind Plumpsklos. Sichtschutz bietet einzig eine große schwarze Plane, die um die Plumpsklos gespannt wurde.
Hühner, Kühe, Ziegen und Hunde laufen auf eingezäunten Grundstücken herum.
Am Straßenrand fliegen Tortillastände an mir vorbei. Pulperias. Tiendas. Kleinere Feuer befinden sich am Straßenrand. Menschen verkaufen Obst. Wassermelonen. Mangos. Ananas.
Bananenplantagen, Reisfelder, Kornfelder, brachliegende Felder und völlig vertrocknete und zerstörte Felder wechseln sich ab.
Irgendwie alles gewohnt und business as usual. Und irgendwie doch nicht.
Überall hängen oder kleben Verkaufsschilder an den Häusern oder Zäunen. Se venden [zu verkaufen] und eine Telefonnummer.
Pedro überholt mit dem Auto eine Nica-Familie auf dem Roller. Er regt sich darüber auf, dass diese zu dritt auf dem Roller sitzt und das total unsicher für das Kind ist, das sich in der Mitte befindet. Ich grinse in mich hinein und denke: In Guatemala, Indien oder Südostasien sitzen vier bis fünf Menschen auf einem Roller.
Er muss bremsen. Vor uns versucht ein LKW, irgendwie den Hügel hochzukommen. Das Auto, das vor uns fährt, traut sich nicht zu überholen. Es gibt keinen Gegenverkehr. Ich mache eine verständnislose Handbewegung, mir entfährt ein Que?! [Was?] und Pedro seufzt.
Ich kann es verstehen, sagt er. Die Polizei ist hier unterwegs. Die Menschen haben Angst, zu schnell zu fahren. In den vergangenen Monaten gab es hier viele Polizeikontrollen. Menschen wurden angehalten und es wurde ihnen gesagt, dass sie zu schnell gefahren seien. Sie sollten dann bis zu USD 300 als Strafe bezahlen. Wenn sie diese nicht bezahlen konnten, mussten sie ins Gefängnis gehen. Die Polizei war echt korrupt hier. Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, sie zu fragen, ob sie einen Beweis für die Geschwindigkeitsübertretung haben. Meistens hatten sie keine Kamera dabei und die Geschwindigkeit einfach geschätzt. Sie wollten schnelles Geld und vor allem wollten sie die Menschen unter Druck setzen.
Mit heruntergelassenen Scheiben brausen wir durch die Mittagssonne. Es hat locker 30 Grad. Ich muss dringend aus meiner Laufhose heraus und meine Trekkingschuhe gegen Flip Flops tauschen. Während ich darüber nachdenke, wo in meinen Reise-Rucksack ich meine Flip Flops gepackt habe, denke ich unweigerlich zurück an den baggage claim in Nicaragua am Flughafen.
Ich denke an den Zettel, der sich an meinem Rucksack befand. Liebesgrüße vom Zoll in El Salvador. Gepäckstücke, die aus Guatemala kommen, werden bei einem Transit dort häufiger noch einmal von Hand untersucht. Ich denke an die kleine Ankunftshalle in Nicaragua. Die wenigen Menschen und Taxifahrer, die sich dort befanden.
Ich frage Pedro nach dem Tourismus in Nicaragua. Der Tourismus ist völlig eingebrochen seit letztem Jahr. Ich kann es verstehen. Die Menschen haben eine wahnsinnig große Angst, nach Nicaragua zu kommen. Bilder aus den Medien aus dem vergangenen Jahr entstehen vor meinem inneren Auge. Brennende Häuser, brennende Autos, brennende Autoreifen, Menschen auf den Straßen, Demonstrationen, Schilder, die nach Gerechtigkeit schreien und die Absetzung des Präsidenten fordern. Wir hatten hier Zustände wie in Venezuela. Die Regierung ist wirklich schlimm. Sie nahm uns alles, was wir hatten. Sie nahm uns den Tourismus. Sie wollte auch unsere Würde haben. Aber die bekam sie nicht.
Von der furchtbaren Situation, von den Straßenschlachten, von brennenden Häusern und auf der Straße demonstrierenden Menschen ist heute nichts mehr zu sehen.
Wie ist die Situation heute, frage ich Pedro. Es ist kein Vergleich zum letzten Jahr. Im ganzen Land ist es ruhig. Es gibt keine Demonstrationen mehr. Es gibt keine Proteste. Es gibt immer mal wieder Zusammenkünfte von Studenten im Zentrum von Managua. Diese geschehen aber höchstens einmal pro Monat.
Das heißt, ich kann problemlos Managua besuchen? – Ja, das kannst du. Wenn eine Manifestation an der Universität stattfindet, solltest du da als Touristin nicht hingehen. Und du musst auf deine Wertsachen aufpassen.
Für mich ist das keine unbekannte Situation. Menschenmassen versuche ich auch in Guatemala tunlichst zu vermeiden. Was die Sicherheit angeht, so verlasse ich nie ohne Vorkehrungen meine Wohnung. Wenn ich das Stadtzentrum in Zone 1 besuche, bin ich sogar noch mehr vorbereitet. Und gerade in der Zeit der Semana Santa passe ich noch mehr auf.
Auf meinem Handy erscheint eine WhatsApp-Nachricht auf dem Bildschirm. Sie ist von Rosa. Todo bien? Ich schmunzle. Rosa ist meine Putzfee in Guatemala. Sie kommt aus Nicaragua. Sie kam vor einigen Monaten zu ihrer Tante nach Guatemala.
Ihre Tante Julia lebt schon seit langer Zeit in Guatemala. Rosa kam hier her, um ein besseres Leben zu haben. Dafür ließ sie ihre Eltern in Tipitapa hinter sich. Alle 90 Tage kehrt Rosa für ein paar Tage nach Nicaragua zurück. So lange dauert ihr Touristenvisum. Dann muss sie ausreisen und ein paar Tage später wieder einreisen. Mit dem Bus fährt sie über 20 Stunden nach Nicaragua, besucht für ein paar Tage ihre Eltern und reist dann zurück nach Guatemala.
Als ich Rosa erzählte, dass ich nach Nicaragua fliegen würde, freute sie sich unglaublich für mich und nahm mich in die Arme. Du kannst meine Eltern besuchen. – Ernsthaft? – Ja, wirklich! Die freuen sich bestimmt.
Zwei Tage vor meiner Abreise nach Nicaragua sehe ich Rosa noch einmal. Ich gebe ihr die Ankunftszeit meines Fliegers in Managua. Sie gibt mir die Telefonnummer ihres Papas und eine Tüte. Kannst du das meinen Eltern mitbringen? Ohne nachzudenken nehme ich die Tüte entgegen. Klar doch. Aber darf ich das auspacken und einzeln in den Rucksack packen? Das passt so nicht rein. – Klar.
Ihren Papa habe ich nie gesehen. Als ich in der Ankunftshalle stehe, meinen Blick schweifen lasse, fällt mir ein älterer Herr auf. Er ist um die 70 Jahre alt. Seine Haut ist gegerbt. Das Leben zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Er ist groß, hat sehr kurze Haare, erscheint in dieser Umgebung irgendwie völlig deplatziert. So richtig wohl zu fühlen scheint er sich nicht. Direkt auf mich zukommen tut er ebenfalls nicht.
Als ich diesen Mann erblicke, bin ich mir sicher, dass das Rosas Papa ist. Ich gehe direkt auf ihn zu. Ramon? – Si! Er nimmt meine Hand, dann nimmt er mich in die Arme, unsere Wangen berühren sich zur Begrüßung. Gemeinsam treten wir vor das Flughafengebäude.
Auch Rosas Mama ist nun da. Sie ist klein. Weitaus kleiner als ich. Ich muss lächeln. Auch Rosa ist kleiner als ich. Bist du Rosas Mama? – Ja. Sie lächelt und nimmt mich in die Arme. Der Papa fragt mich, ob ich sie nach meiner Rückkehr von Ometepe besuchen möchte. Er bietet mir ein Bett in ihrem Haus an und verspricht mir, mich am nächsten Tag zum Flughafen zu bringen.
Mehrfach frage ich, ob sie das wirklich möchten. Mehrfach lächeln sie bescheiden und versichern, dass es kein Problem sei. Schließlich überreiche ich ihnen die Sachen, die mir Rosa gegeben hat: Zwei Paar Schuhe, zwei Tuben Duschgel und umgerechnet 25 Euro Bargeld – der Lohn von zwei Mal putzen in meiner Wohnung*. Ruf‘ uns bitte an, wenn du etwas brauchst. Egal was…
Neben all den Infos, die ich dir auf dieser Seite über meine Reise nach Ometepe geben möchte, findest du hier auch einen Blogbeitrag über Dinge, die du in Ometepe unbedingt unternehmen solltest und Wissenswertes und Reisetipps für deinen Aufenthalt auf Ometepe. Überdies habe ich während meines Aufenthaltes auf Ometepe in meinen Insta-Stories danach gefragt, was meine Leser gerne über Ometepe wissen möchten.
*Anmerkungen:
Der durchschnittliche Stundenlohn in Guatemala (ich habe einen Blogbeitrag dazu verfasst) liegt – je nach Art der Arbeit – zwischen Q10 und Q13 (1,10-1,50 Euro). Meine Putzfee Rosa erhält pauschal Q120 (14 Euro).
Für meine 80qm Wohnung brauchte ich eigentlich keine Empleada. Putze ich meine Wohnung selbst, brauche ich hierfür nicht länger als eine Stunde. Lange Zeit hatte ich mich gegen eine Unterstützung im Haushalt gewehrt, weil ich nicht wollte, dass jemand für mich arbeitet.
Seit ich jedoch Matute habe und aufgrund meines Nachmittagsunterrichts an einem Tag nicht zwischendurch nach Hause und mit Matute Gassi gehen kann, habe ich für diesen Arbeitstag Rosa.
Sie kümmert sich rührend um Matute, geht mir ihr Gassi, gibt ihr Futter und führt sozusagen Buch über die Geschäftchen, die Matute macht. Außerdem findet sie während der drei Stunden, die sie in meiner Wohnung ist, auch das kleinste Krümelchen an Staub und bleibt meistens nach meiner Rückkehr von der Schule noch eine Stunde zum gemeinsamen Kaffee und Quatschen. Dabei verbessert sie geduldig meine Spanischfehler und gibt mir immer wieder neue Wortwendungen zum Lernen auf.