Auf den Spuren Buddhas: Sarnath – Buddhismus mitten im Hinduismus
Another farewell
15 Uhr: Mein Flieger startet einigermaßen pünktlich in Amritsar. Eine erneute Abreise, die mir nicht sonderlich leicht fällt. Der Besitzer meines Hotels hatte sich die vergangenen Tage ganz rührend um mich gekümmert, immer wieder nachgefragt, wie es mir gehe, mir Tipps und kleinere Hilfestellungen gegeben.
Nebenan habe ich ein kleines Restaurant entdeckt, das nicht nur leckeren Masala Chai verkauft, sondern auch super leckere Puris zum Frühstück kredenzt. Die Sikh und ihre Ruhe und Ausgeglichenheit, die sie an den Tag legen, werden mir fehlen.
Ankunft in Varanasi
Es ist kurz nach 19 Uhr als ich in Varanasi lande. Der Besitzer des Olya Guesthouses – nennen wir ihn der Einfachheit halber “Papa Varanasi” – wartet am Eingangsbereich der Arrival Hall auf mich. Er hält ein handgeschriebenes Plakat in seinen Händen, auf welchem mit bunter Schnörkelschrift “Welcome, Manuela” steht. Mehrfach haben wir in den vergangenen Tagen telefoniert. Das letzte Mal vor circa zwei Stunden, als ich in Delhi auf Transit war. Denn es lag ihm sehr viel daran, dass er auch in der Lage war, bei meiner Abholung persönlich anwesend zu sein. Er begleitet mich zum Wagen. Selbst fährt er hier nicht. Er hat einen Fahrer organisiert. Die Fahrt von der Stadt an den Flughafen dauerte über zwei Stunden. Wegen eines Festes in der Stadt waren viele Straßen gesperrt und Umwege notwendig.
Auch auf unserem Weg vom Flughafen in die Stadt realisiere ich, dass der Fahrer des Wagens immer wieder seltsame Routen einschlägt, weil zahlreiche Straßen nach wie vor blockiert sind. Auf den eineinhalb Stunden, die wir in die Stadt brauchen, gibt mir Papa Varanasi Ratschläge, wie ich meine Tage hier planen könnte. Er erzählt mir von Restaurants in meiner näheren Umgebung, von den Ghats am Ganges, gibt mir Tipps für Ausflugsziele und meine Abendgestaltung.
Als wir schließlich auf der Straße nicht mehr weiterkommen, müssen wir die verbleibenden 600 Meter zu seinem Haus zu Fuß zurücklegen. In dem Moment als ich dem Auto entsteige, beginnt es zu schütten wie aus Kübeln. Wir laufen ein paar Meter und suchen schließlich Schutz vor dem Regen. Dieser lässt jedoch kein Stück nach. Ich bin jetzt schon klatschnass. Nach einiger Zeit gibt mir Papa Varanasi zu verstehen, dass wir eh schon komplett nass seien und es nun auch nicht mehr darauf ankäme. Ich nicke. Recht hat er ja. Und hier im Dunkeln herumzustehen und dem Regen zuzuschauen, macht irgendwie auch wenig Sinn. In indischem Fußgängertempo (!) – in Deutschland würde man hierzu „Rückwärtslaufen“ sagen – gehen wir die verbleibenden vierhundert Meter bis zu seinem Haus.
Erst kurz nachdem ich mein Zimmer auf der Dachterrasse bezogen habe, realisiere ich, dass alles – ausnahmslos alles – in meinem Rucksack völlig durchnässt ist. An diesem Abend wird mir nicht langweilig.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, scheint die Sonne. Der Großteil meiner Sachen ist über Nacht aufgrund der Luftfeuchtigkeit nicht trocken geworden. Auf der Dachterrasse in der Sonne trocknen sie nun binnen einer Stunde. Eine Stunde, die ich für die Planung meines Aufenthaltes hier nutze.
Ich suche Papa Varanasi im Wohnzimmer der Familie auf. Mama Varanasi bringt mir kurze Zeit später einen Tee. Dann verliere ich mich in Gesprächen mit der Familie über die Stadt, das Leben, deren Kinder und die ganze Familie. Ich äußere meinen Wunsch, heute noch irgendwie Sarnath zu besuchen und kurzerhand macht Papa Varanasi einen Fahrer klar, der in den nächsten ein bis eineinhalb Stunden hier her kommen würde, um mich abzuholen. Er würde mich sicher nach Sarnath bringen und vor allem wieder an der Haustüre abliefern.
Eine starke Stunde später ruft Papa Varanasi nach mir und bittet mich, herunterzukommen, da der Fahrer da sei. Sunil. Gemeinsam bahnen wir uns unseren Weg durch die kleinen Gassen Varanasis, durch die kein Tuk Tuk passt und machen uns schließlich mit dem Tuk Tuk auf den Weg Richtung Sarnath.
Als wir Varanasi durchfahren, muss ich unweigerlich an Haridwar denken. Für einen Moment auch an Delhi. Ein bisschen erinnert mich die Stadt daran. Ein bisschen. Denn im Unterschied zu Delhi ist Varanasi noch dreckiger und noch lauter. Die Straßenverhältnisse sind absolut furchtbar. Mehrfach dreht sich Sunil während unserer Fahrt zu mir um und fragt, ob alles okay sei. Da ich meine Füße auf die gegenüberliegende Sitzbank gestellt habe, habe ich eine einigermaßen stabile Sitzposition und hebe nicht bei jeder Unebenheit einen halben Meter von meiner Sitzbank ab. Ja, es ist alles okay. Es fühlt sich an wie eine Achterbahnfahrt. Aber ich mag Achterbahnfahrten.
Die Stadt Sarnath
Sarnath liegt circa zehn Kilometer nördlich von Varanasi. Für die scheinbar kurze Strecke benötigen wir aufgrund des starken Verkehrs und der Straßenverhältnisse knapp zwei Stunden! Die Stadt selbst hat ungefähr Null zu bieten. Bekannt ist sie eigentlich nur deswegen, weil sie zu den heiligsten Städten des Buddhismus zählt. Moment?! What?! – Buddhismus? In einem Land voller Hindus? Nein, es ist kein Tippfehler.
Kurz vor dem Park hält Sunil an. Den tour guide, der natürlich noch bevor ich aus dem Tuk Tuk springen kann, am Straßenrand steht, zerlegt er in einem Atemzug: „She may look like a tourist but she isn’t. Leave her alone!“ Ich grinse. So geht’s natürlich auch. Wir verabreden uns für eine indische Stunde später somewhere around here.
Sarnath: ein Hauch von Buddhismus mitten im Hinduismus
Neben Bodhgaya – du hast sicher davon gehört, das ist der Ort, an dem Buddha unter dem Bodhi-Baum saß und die Erleuchtung erlangte –, Kushinagar und Lumbini (Nepal) ist Sarnath die vierte Stadt unter den wichtigsten buddhistischen Wallfahrtsorten.
Buddha kam nach Sarnath, um nach seiner Erleuchtung in Bodhgaya in diesem Park zu meditieren und das erste Mal seine Vier Edlen Weisheiten auf dem achtfachen Pfad zum Nirwana zu predigen. Mit dieser Predigt begründete er den Buddhismus.
Das geschah alles noch im dritten Jahrhundert vor Christus. Krass, oder?! Ich meine, hallo, vor Christus!
Im siebten Jahrhundert nach Christus erst brachte ein Chinese die riesige Stupa nach Sarnath, was schließlich auch dazu führte, dass hier zahlreiche buddhistische Klöster gebaut wurden und lange Zeit dort noch vorzufinden waren.
Im 12. Jahrhundert jedoch kamen die Muslime und sorgten für einen sehr sehr deutlichen Rückgang des Buddhismus und die Zerstörung einiger Klöster. Erst 1835 entdeckten britische Archäologen den Wallfahrtsort wieder.
Noch heute wird Sarnath von buddhistischen Pilgern besucht. Die Stupa ist nach wie vor vorhanden. Auch Überreste der verschiedenen Klostergebäude. Und eine der Säulen des Ashoka kannst du hier finden.
Die Bedeutung dieses Ortes für den Buddhismus ist also nach wie vor in aller Deutlichkeit sichtbar und spürbar.
Und nach einem gemeinsamen Masala Chai mit Sunil, ein wenig Lagebesprechung („Do you want to go back to your place?“ – „No, not really. Actually, I fancy doing a river tour.„) geht die wilde Achterbahnfahrt zurück in die Stadt und an den Ganges…
Indien Überblick:
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