3… 2… 1… Meins! Der frühe Vogel im Taj Mahal! #collectmomentsnotthings
Vorab-Anmerkung: Dieser Bericht hat mich viel Zeit gekostet. Nicht wegen der Länge des Textes, sondern wegen seines Inhaltes. Denn ich wusste lange nicht, wie ich diesen Bericht schreiben soll, was ich erzählen möchte und vor allem was nicht. Immer wenn ich von einer Reise zurückkehre, fragen mich meine Lieben, wie meine Reise war. Immer verweise ich dann zuerst einmal auf die Blogbeiträge, die ich veröffentlicht habe. Aber sie fragen nicht grundlos. Denn sie wissen nur allzu gut, dass in den Beiträgen, die ich verfasst habe, nicht immer alles steht und das Emotionale meist ausgespart bleibt…
Fakten, Fakten, Fakten
Das Taj Mahal befindet sich am Fluss Yamuna in Agra, einer Stadt in Uttar Pradesh. Gebaut wurde es 1632 von Shah Jahan als Erinnerung an seine Frau Mumtaz Mahal. Etwa 14 Jahre später war es fertig. Abgesehen von dem Mausoleum, das sich auf dem riesigen Areal befindet, gibt es dort noch eine Moschee, ein Gästehaus, das riesige Eingangstour und den äußeren Garten – was jedoch alles erst später hinzugefügt wurde. Nachdem Shah Jahan gestorben war, hat man auch sein Grab dorthin verlagert. Da ich dich aber nicht mit Geschichte langweilen möchte, erzähle ich dir lieber von meinem Tag…
Der frühe Vogel und so…
04:30 Uhr: Ein nahezu ohrenbetäubendes Piepen direkt neben meinem Kopf. Es ist mein Wecker. Ich habe kaum geschlafen in der Nacht. Erst nach 1 Uhr habe ich in den Schlaf gefunden. Völlig benommen drücke ich das nervige Klingeln weg. Ich möchte mich noch einmal umdrehen… und tue das auch.
04:35 Uhr: Meine Fitbit vibriert. Ich schrecke hoch: Mist, da war doch was! Der Wecker klingelte ja nicht grundlos. Von der einen auf die andere Sekunde bin ich hellwach. Dann geht alles ganz schnell. Ab ins Bad. Parallel dazu kocht der Kaffee. Anziehen. Kaffee in den Kopp. Zwei kleine Bananen rein hauen. Einen zweiten Kaffee hinterher kippen. Irgendwie muss ich munter werden. Noch einmal die Umhängetasche überprüfen damit da auch nichts anderes drin ist außer mein Geldbeutel und mein Handy. Gut. Los geht’s.
05:15 Uhr: Shiva, mein Rikscha-Fahrer, mit dem ich mich am Abend zuvor für heute Morgen verabredet hatte, erwartet mich am Eingang meines Hotels. Er bringt mich durch die Dunkelheit so nah es geht an den Eingangsbereich zum Taj Mahal. Kurz vor dem Eingang hält er an, erinnert mich daran, dass es sein könnte, dass einige tour guides dort bereits auf mich warten. Ich solle alle ignorieren und zielstrebig zum Ticketschalter laufen, der sich linker Hand befände. Dort würde ich nicht nur ein Ticket bekommen, sondern auch eine kleine Flasche Wasser und shoe covers.
05:25 Uhr: Der Ticketkauf ist erledigt. Ich stehe vor dem Eingang zum Taj Mahal. Mein Herz pocht. Wenige Menschen befinden sich vor mir. Lass‘ es 15 Leute sein. Vielleicht eine Handvoll mehr.
05:30 Uhr: Es tut sich nichts.
05:35 Uhr: Das große Tor wird geöffnet. Ich passiere den Security Check und die Taschenkontrolle, bahne mir meinen Weg durch den angelegten Garten und erhasche einen ersten Blick auf das Taj Mahal. Herzklopfen.
05:45 Uhr: Vor dem riesen Torbogen stehend, denke ich mir: Gott, wenn du da durchläufst, siehst du es gleich vor dir. Ich denke für einen Sekundenbruchteil an all die Bilder, die es im Internet mit exakt diesem Torbogen gibt, durch welchen man bereits das Taj Mahal sehen kann.
Dann reiße ich mich zusammen, denn ich nehme wahr, wie immer mehr Menschen an mir vorbeilaufen und ich mit dem Träumen aufhören sollte… Schließlich passiere ich das Tor (klicke hier für den „Live-Durchgang“ 🙂 ).
05:47 Uhr: Und dann sehe ich es vor mir… verdammter Scheiß!
Touri-Thon
05:48 Uhr: Ich sehe mich um. Rechts und links: Menschen. Mein Blick nach vorne: Menschen. Sie haben das Taj Mahal aber noch nicht erreicht. Ich fackle nicht lange. Und laufe los. Mein erster Touri-Thon auf dieser Reise: Laufen, was das Zeug hält, um alle Touris hinter mir zu lassen. Nicht ganz leicht. Nicht nur ist das Areal riesig, sondern auch die Luftfeuchtigkeit bereits zu dieser Zeit sehr hoch.
Und als ich ganz hinten ankomme, schieben sich plötzlich die ersten kräftigen Sonnenstrahlen durch die Wolken.
3…2…1… Meins!
Ich kann mein Glück kaum fassen. Mutterseelenallein stehe ich vor dem Taj Mahal. Ich muss mich setzen. Mache meine ersten Fotos.
Später, als ich meinen Lieben ein paar Bilder schicke, wird mich mein Kumpel fragen: „Bist du über den Zaun geklettert? Hast du heute Nacht ein Loch gegraben? Oder warum ist da niemand außer dir?“ Ich werde antworten: „Nein, ich bin einen Touri-Thon gelaufen.“ Doch im Moment bin ich weit entfernt von Kontakt und Kommunikation. Im Moment bin ich einfach nur völlig überwältigt.
Ich spüre einen Kloß in meinem Hals. Verstehen, woher er kommt, kann ich nicht. Noch nicht. Ich stelle die Kamera hin, nehme meine Position ein. Und obwohl ich weiß, dass sie nur wenige Sekunden braucht, um eine Bildsequenz zu fotografieren, bin ich nicht mehr in der Lage aufzustehen.
Mein Blick klebt an diesem Gebäude. Die Sonnenstrahlen könnten es zu dieser Stunde nicht wundervoller anleuchten. Tausend Dinge gehen mir durch den Kopf. Die vergangenen Wochen und Monate. Meine Flugbuchung. Meine Reiseplanung. Meine Erlebnisse und Erfahrungen, die ich auf dieser Reise gemacht habe. Dieses riesige Land. Dessen Größe ich während meiner Reise nur halb ermessen kann. Philipp Poisel singt in meinem Kopf: „Wo fängt der Himmel an. Und wo hört er auf?“
Ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit macht sich in mir breit. Warum? – Ich weiß es nicht. Wofür? – Ich weiß es nicht. Ich spüre meinen Herzschlag. Bum. Bum. Bum. Wer hätte vor einigen Monaten gedacht, dass ich heute hier sitzen werde? – Ich am allerwenigsten.
Und dann kullert eine erste Krokodilsträne aus meinen Augen. Ich kann sie nicht mehr zurückhalten. Ich sitze. Und schaue. Und weine.
Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, als mir plötzlich jemand auf die Schulter tippt. Ich drehe mich um. Ein kleines, indisches Mädchen steht hinter mir. Sie hält mein Handy in ihrer Hand. Mir die Hand mit meinem Handy entgegenstreckend lächelt sie mich an.
Sie zeigt auf mein Gesicht. Wortlos setzt sie sich neben mich, nimmt meine Hand und schaut ebenfalls das Taj Mahal an…
Und als sich um 07:30 Uhr das Taj Mahal zusehends füllt und der Himmel langsam zuzieht,…
… mache ich ein letztes Bild.
All die anderen Bilder trage ich in meiner Seele und in meinem Herzen…
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