„Can photo you?“ – über Chaos, Tempel, Begegnungen und Sightseeing in Delhi
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Gestern Abend gab es keinen Blogbeitrag mehr – ich war zu sehr mit Essen und Quatschen beschäftigt und als ich um 22 Uhr (Regeln sind dazu da, um direkt am zweiten Tag gebrochen zu werden 😉 ) im Hotel zurück war, war ich zu müde, um auch nur einen einzigen Satz zu formulieren.
Let’s get the sightseeing started
Pünktlich um 9:30 Uhr holte mich Gurmeet, mein Fahrer, an meiner Unterkunft ab. Wir stimmten uns kurz über den Plan des heutigen Tages ab: Tempel-hopping (Swaminarayan Akshardham, Gurudwara Bangla Sahib, Lotustempel), India Gate, Qutub Minar, Humayun Mausoleum und nach Möglichkeit noch Old Delhi. Im Prinzip also, Sightseeing bis zum Abwinken oder bis ich kein Bock mehr habe. 😉
Die Tempel hatten es mir besonders angetan, denn bisher hatte ich kein Land bereist, in welchem vier Religionen auf einmal vertreten waren. Ohne Gewähr und ohne irgendeine Seite zu zitieren, müsste die religiöse Verteilung etwa folgendermaßen sein: 40% Hindus, 30% Sikhs, 20% Muslime, 10% Christen. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.
Sightseeing in Delhi
Swaminarayan Akshardham
Dieser Hindutempel, der zu den größten Indiens gehört, war die erste Anlaufstelle an diesem Tag, denn er lag am nächsten zu meiner Unterkunft. Dass er sich in dieser Riege einordnen darf, ist aber sicherlich darauf zurückzuführen, dass das Areal, der riesengroße Garten, in welchem sich der Tempel befindet, in diese Berechnung eingeschlossen ist. Ja, der Tempel an sich ist groß. Um einiges größer auch als der Tempel, den ich mir am Tag zuvor angeschaut hatte, aber nun nicht soooo groß, dass man ihn zu den größten Indiens zählen müsste. Oder doch?!
Der Zugang zum Tempel ist problemlos möglich, wenngleich man diverse Male gecheckt wird – weder Taschen noch Handys sind im Tempel selbst erlaubt; alles muss vor dem Betreten in einen Spint eingeschlossen werden und Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz des Tempels parken wollen, werden ebenfalls einer ausgiebigen Kontrolle unterzogen.
Nach meinem Tempel-Besuch war dann ein bisschen Familien-Fotoshooting angesagt. Und, mal ganz ehrlich, ich fühle mich mit meinen 170 Zentimetern hier wie ein Riese. 😉
Gurudwara Bangla Sahib – der Sikh-Tempel
Bei diesem Tempel handelt es sich um einen Sikh-Tempel. Da ich bisher nie einen solchen besucht hatte, mich mit den Gepflogenheiten dort überhaupt nicht auskannte, aber noch den Goldenen Tempel in Amritsar besuchen wollte, bat ich meinen guide, der selbst Sikh war, um einen ausführlichen Rundgang.
Eine ganze Weile lauschte ich auf dem Teppich sitzend den Sprechchören der Prediger, die auf magische Weise eine ganz beruhigende Wirkung auf mich hatten. Ich war so sehr in deren Bann gezogen, so dass ich mich fast eine Stunde später erst wieder davon lösen konnte.
Ich besuchte ebenfalls die Küche und die Halle, die sich neben dem Tempel-Areal befinden. In dieser Küche wird drei Mal am Tag für die Allgemeinheit gekocht. Das Essen ist natürlich recht basic und wird ohne Gewürze zubereitet, dennoch kann hier theoretisch jeder um 7 Uhr, 12:30 Uhr und 19 Uhr vorbeikommen und mit all den anderen Menschen zusammen in der großen Halle sein Mahl einnehmen. Nicht nur essfreudige Menschen, sondern auch Küchenhelfer werden jederzeit herzlich begrüßt.
Da ich aber noch einiges auf dem Plan stehen hatte, musste die Küche ohne mich auskommen.
India Gate
Möchte man als Touri direkt vor das India Gate und nicht einfach nur auf dem großen Platz davor oder im Park, der sich daran anschließt, herumlaufen, wird man von ein paar dicken aber durchaus sehr sehr netten Damen abgefangen und muss 100 INR berappen.
Irgendwie nicht darauf vorbereitet, musste ich die eine Dame dermaßen bescheuert angeschaut haben, dass sie aus dem Lachen nicht mehr herauskam, was dazu führte, dass ich zunächst nicht mehr vor das India Gate kam. Sie rutschte ein paar Zentimeter auf ihrem Stuhl zur Seite, bat mich neben ihr Platz zu nehmen. Auf den wenigen Zentimetern, die mir für mein Hinterteil blieb, machten wir Witze über die selbst ernannten tour guides und die Verkäufer, die mir im Sekundentakt anboten, für wenig Geld ein Bild von mir vor dem India Gate zu machen. Ganz ehrlich: Bilder – das kann ich selbst. 😉
Interessant aber, dass ich sie auch im Beisein eines Einheimischen, mit der ich mich offensichtlich bestens verstand, nicht abschütteln konnte. Doch die nette Dame brachte mir nicht nur ein paar nützliche Sätze, wie „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“, „Bitte“ und „Danke“ auf Hindi bei, sondern auch ein Wort, mit dem ich die lästigen Verkäufer binnen Sekunden los werden würde. Übersetzt soll es „Geh weg“ bedeuten und mit der entsprechenden Handbewegung soll es binnen Sekunden für Ruhe sorgen. Soll. Da die Zahl der Verkäufer durchaus groß war und alle paar Minuten wieder einmal unbedingt einer sein Glück versuchen wollte – wohl bemerkt, ich saß immer noch zusammen mit der Dame auf einem Stuhl! – hatten wir genügend Gelegenheiten, ein bisschen am lebenden Objekt zu üben. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was ich gesagt habe, aber die Reaktion war ein „Sorry, sorry“ und sofortige Ruhe. Keine Sorge, ich werde es nicht mehr verwenden. 😉
Be it as it may, wir hatten durchaus unseren Spaß, so dass das India Gate völlig in den Hintergrund getreten war. Der Mittagssnack war es nicht.
Lotustempel, Qutub Minar und Humayun Mausoleum
Wenn man mit dem Auto sowieso schon in Delhi herum cruised, bietet es sich an, einen Abstecher zum Lotustempel im Süden Delhis zu machen. Von außen sieht dieser total spektakulär aus.
Er soll auch auf gewisse Weise die drei Weltreligionen miteinander vereinen. Innen jedoch gibt es nicht sonderlich viel zu sehen: Vor dem Tempel befinden sich zwei kleine, künstlich angelegte Seen. Der Tempel besteht aus einer großen Halle. Ausgestattet mit Stühlen kann man hier für einige Minuten das Innere – weiße Wände – und die Decke – ein Fenster in Form einer Lotusblüte – bestaunen.
Ganz ehrlich, nach meinem Besuch im Skih Tempel war dies nun ein wenig lohnenswerter Besuch. Zumal es mittlerweile knapp 40 Grad hatte und der Weg zum Tempel (circa 1 Kilometer ab Eingang) und das Einlass-Prozedere (grüppchenweise, mit Ansagen, wie man sich im Tempel zu verhalten habe) auch noch zu bewerkstelligen waren.
Vorbei am Lodi Park ging es schließlich noch zum Qutub Minaret, einem aus rotem Sandstein und Marmor bestehenden Siegeszeichen der Muslime über die Hindus aus dem 12. Jahrhundert.
Halb Delhi schien an diesem Tag diesen Ort als Ausflugsziel auserkoren zu haben. Ich fand’s auch ganz nett (jaja, ich weiß^^). Nicht ganz grundlos, denn – wie du weißt – klettere ich unglaublich gerne auf Steinen herum.
Und außerdem: Eichhörnchen gab es dort auch.
Eine letzte Station – es war mittlerweile 15:30 Uhr und die Hitze und Luftfeuchtigkeit forderten langsam ihren Tribut, so dass Old Delhi warten musste – war das Humayun Mausoleum. Ein weiteres Mal brachte ich die Wanderung durch die vorgelagerten Gärten und kleineren Tempel hinter mich.
Ein weiteres Mal nahm ich eine letzte steile Treppe.
Der Blick von oben: voll schön. Das Mausoleum, angeblich ein Vorläufer des Taj Mahal und Unesco-Welterbe: gut, kann man mal machen.
Nach diversen Fotoshootings auf dem Vorplatz ging es schließlich ins Büro von Ashok.
Ein weiterer Tag nimmt sein Ende
Nach mehreren gemeinsamen Tees, einer weiteren Anpassung der Route, ein paar Hotel-Empfehlungen und schließlich einer Einladung, meinen letzten Abend nach meiner Rückkehr in Delhi bei Ashok und seiner Familie zu verbringen – Danke für die Einladung und die mega Herzlichkeit und Gastfreundschaft! -, hatte ich ganz ordentlich Hunger. Ein letztes Mal fuhr mich Gormeet zurück zu einer kleinen Restaurant auf dem Main Bazaar.
Meinen Tisch dort teilte ich mir mit einem Mittsechziger aus Australien, Typ Aussteiger. Es dauerte nicht lange, bis wir ins Gespräch kamen und binnen weniger Minuten – nachdem die Oberflächlichkeiten (wo kommst du her, wo gehst du hin?) und die essentiellen gesundheitlichen Fragen („How could you get sick from a Lassi? What can be wrong about a Lassi?“ – „Everything.“) besprochen waren – in ein Gespräch über das Leben in Indien, Lebensanschauungen, meiner Ansicht nach nicht vorhandenen Spiritualität und die Frage „Wer bin ich?“ (…und wenn ja, wie viele?^^) eintauchten. Die Stunden vergingen im Flug – ich hatte sogar vergessen, mein Essen für dich zu dokumentieren 🙂 – und plötzlich war es Nacht über Delhi.
Auf meinem Heimweg zum Hotel machte ich noch ein paar kleinere Besorgungen für das Frühstück am nächsten Tag. Langsam bahnte ich mir schließlich meinen Weg durch die mit Fahrrad-Rikschas, Moped-Rikschas, Taxis, Autos, Fahrradfahrer, Fußgänger und Kühen überfüllten Straßen.
Und während ich den Lärm und Geruch irgendwie nicht mehr wahrzunehmen schien, das Stocken des Verkehrs und mein eigenes Stehenbleibenmüssen nicht mehr als nervig empfand, mich niemand mehr ansprach oder überhaupt wahrzunehmen schien und ich den Eindruck hatte, nie etwas anderes getan zu haben, beschlich mich langsam das Gefühl, in diesem Land angekommen zu sein…
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