Havelis in Mandawa – another fairy tale gone bad?!
Nicht ganz grundlos muss ich heute an den Song von Sunrise Avenue „Fairy Tale Gone Bad“ denken. Weniger wegen des eigentlichen Inhalts des Liedes – dieser hat wenig mit Indien gemein – als vielmehr allein wegen seines Titels…
Mandawa allgemein
Mandawa ist eine kleine Stadt in Rajasthan. Etwa 20.000 Menschen leben hier. Der Stadtkern besteht praktisch aus einer einzigen Straße und ist wahrscheinlich nicht länger als einen Kilometer. Innerhalb weniger Minuten bist du vom einen Ende zum anderen Ende gelaufen. Ein wahres Kontrastprogramm zu Delhi.
Havelis in Rajasthan
Grundsätzlich ist Rajasthan wahrscheinlich eher bekannt für die Paläste und Wehranlagen der Maharadschas. Weniger für seine Havelis, die schmuckvollen Kaufmannshäuser aus der Vergangenheit.
Mandawa und seine Havelis
Teilweise sind die Straßen Mandawas schmal und verwinkelt. Teilweise fehlt ihnen der Asphalt. Er ist entweder zwischenzeitlich vom Regen ausgewaschen worden oder die Straße ist erst gar nicht asphaltiert worden. Teilweise fegt Sand über die Hauptstraße des kleinen Örtchens. Als ich durchlaufe, habe ich den blitzartigen Gedanken, dass hier jetzt eigentlich nur noch der kleine Busch fehlt, der über die Straße fegt, um die Situation komplett zu machen. Wäre da nicht noch das bunte Treiben.
Von vorne knattert mir ein Tuc Tuc entgegen. Von links kommt eine Fahrrad-Rikscha. Von rechts möchte ein LKW-Fahrer in die Hauptstraße einbiegen. Von hinten fährt ein Jeep an mir vorbei. Und mitten auf der von Schlaglöchern gezeichneten Straße liegt eine Kuh und kaut genüsslich vor sich hin. Offensichtlich weiß sie, dass sie heilig ist.
Ein kleines Dauer-Hupkonzert begleitet mich auf meinem Weg durch die Staßen. Ein Dauer-Hupkonzert in den unterschiedlichsten Klangfarben, ein Angriff auf die Sinne.
Wie die Maharadschas damals lebten, wird offensichtlich, wenn man die gigantischen Paläste in den Städten sieht. Und was den Maharadschas ihre Paläste waren, das waren damals, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, den Kaufleuten ihre Havelis. In ihnen lebten sie und in ihnen empfingen sie ihre Besucher.
Heute jedoch sind sie teilweise völlig verrottet und der Natur überlassen. Viele Besitzer haben ihre Havelis von ihren Großeltern oder Onkeln geerbt. Viele haben sich aufgrund der Kosten, die durch die Restaurierung auf sie zukommen würden, von ihnen abgewendet und sich selbst überlassen, sind zum Arbeiten in große Städte abgewandert.
Den Bewohnern Mandawas ist der Kulturschatz, den ihre Stadt besitzt, gar nicht bewusst. Sie sitzen dösend vor den Zufahrtsrampen der Havelis, lesen Zeitung, rauchen Tabak oder verfolgen völlig teilnahmslos das Geschehen auf der Straße.
Der Glanz der Vergangenheit lässt sich nur noch erahnen. Die Malereien der Havelis sind verblasst und abgebröckelt. Mauern sind eingestürzt. Ehemalige Fensterbänke oder Eingänge werden als Müllabladeplatz verwendet, ehemalige Zufahrten für kleine Shops.
Die Bewohner der Stadt leben mit dem Verfall. Alternativen haben sie keine. Ein bisschen wundern sie sich über die wenigen Touristen, die hierher kommen, um die verfallenen Häuser zu besichtigen. Hoffnungsvoll versuchen sie denen, die kommen, eine guided tour anzubieten, um ihnen von etwas zu erzählen, das sie weder verstehen noch schätzen. Sie wissen lediglich, dass der Ort früher einmal reich war und dass Touristen die Chance mitbringen, für einen weiteren Tag ihre Familie ernähren zu können.
Nur wenige Besitzer pflegen, restaurieren oder funktionieren ihre Havelis voller Hingabe um. Aus einigen Havelis entstanden Tempel. Vielleicht verlängern die Opfergaben der Gläubigen ihre Leben. Aus anderen Havelis wurden Hotels.
Eine Ausnahme bildet hierbei auch der Besitzer des Radikha Haveli, der sein geerbtes Haveli in ein Hotel umgebaut hat. Es erinnert mich an die Riads in Marokko. Liebevoll restauriert, mit zauberhaften kleinen Details versehen kann man in diesem Haveli eine Nacht den Pomp der Vergangenheit erleben.
Begutachtest du die Wandmalereien genauer, so findest du mitunter lebensgroße Elefanten, verschnörkelte Blumenmuster, Reiter auf Pferden oder bunte Vogelmotive.
Und erklimmst du zur Abendstunde das Dach des Haveli, offeriert dir die kleine Stadt einen wundervollen Ausblick. Die Festung und zahlreichen Havelis Mandawas reflektieren das Licht der untergehenden Sonne.
Für einen Moment hast du das Gefühl, dich mitten in einem Märchen von 1001 Nacht zu befinden. Für einen Moment. Denn dann ertönt irgendwo plötzlich wieder eine Hupe.
Als ich am nächsten Morgen beim Verlassen Mandawas mein letztes Haveli besuche, begegne ich zwei Kindern, die dort auf der Mauer sitzen und mir erzählen, dass sie das Haveli bewachten. Ich muss lachen und drücke ihnen 50 Rupees, zwei Äpfel und zwei Bananen in die Hand. Worüber sie sich mehr freuen, ist mir schleierhaft.
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