Geschichtsträchtiges Süd-Indien: 5 charmante Orte in Tamil Nadu
Ein Gastbeitrag von Jacqui I Weltgefühle.de
Komm, wir fliegen nach Indien! Wer an Indien denkt, dem kommen gleich immer Taj Mahal, die Wüste von Rajastan oder Wandern im Himalaya in den Sinn. Und was haben alle diese Dinge gemeinsam? Richtig, sie sind im Norden – einer Region, in der ich bisher noch nicht war. Auch, wenn mich meine nächste Reise nach Nord-Indien führen wird, so spielten sich doch meine ersten zwei Indien-Reisen ganz im Süden ab, was auch eher als „Indien light“ bekannt ist. Da Indien mich generell fasziniert und mein Lieblingsland geworden ist, möchte ich die Erfahrungen im Süden, der wirklich anders zu sein scheint als der Norden, nicht missen! Indien ist immer eine Herausforderung für abenteuerliche Backpacker, die jenseits der bekannten, westlichen Welt unterwegs sein wollen. Meine letzte Indien-Reise führte mich 2016 u.a. in den Bundesstaat Tamil Nadu, weil dort meine Freunde in Chennai heirateten (was, nebenbei, eines der schönsten Feste meines Lebens war!). Und auf dem Weg nach Bombay musste ich natürlich den kompletten Bundesstaat bereisen, wenn ich schon mal dort war! Und ich muss sagen, dieser hat mich positiv überrascht für die Tatsache, dass dort kaum Reisende unterwegs sind. Dabei gibt es so viel zu sehen! Welche Orte sehenswert sind, erfährst Du in diesem Artikel.
Pondicherry
Pondicherry, auch bekannt als Pondy, liegt etwa 140 Kilometer von Tamil Nadu’s Hauptstadt Chennai entfernt und stand bis 1954 unter französischer Herrschaft. Genauer gesagt: Pondy war bis dato die Hauptstadt Französisch-Indiens, was bis heute deutlich in der ganzen Stadt zu spüren ist: bunte, französische Kolonialhäuser säumen die Straßen, Shops verkaufen französische Produkte und viele Menschen sprechen immer noch Französisch. Neben Straßenschildern auf Tamil und Englisch finden sich hier ebenfalls Straßen mit Namen wie Rue Saint Therese. Ich fühlte mich echt ein wenig wie in Europa, als ich durch die Straßen lief!
Pondy ist gewissermaßen unterteilt in das eher ruhigere, französische Viertel, welches sich am Meer befindet und mit Kolonialvillen und einem großen, schick angelegten Park und einer gepflegten Promenade glänzt, sowie in ein indisches Viertel, in welchem Restaurants und Läden ausschließlich auf Tamil ausgewiesen sind. Hier ist es dann auch wieder ein bisschen mehr so wie wir Indien kennen: sehr laut, chaotischer Verkehr und fliegende Straßenhändler mit fahrenden Chai- oder Essensständen.
Was mir neben den Ziegenherden und Kuhfamilien, die überall herumliefen – was ich im Zuge meiner Animal Liberation Träume ziemlich cool finde – besonders auffiel, ist die Tatsache, dass Pondy wirklich ein entspanntes Städtchen ist, welches gar nicht so typisch indisch ist, sodass hier viele Einheimische Urlaub machen. Zwar waren meine Begleitung und ich die einzigen westlichen Reisenden, doch viele andere Leute, mit denen wir ins Gespräch kamen, waren extra von weit her angereist, um hier abzuchillen. Und da Chillen in Indien bekanntermaßen nicht an allen Orten möglich ist, ist Pondy neben Goa eine echte Oase der Ruhe!
Mit dem Bergzug von Ooty nach Coonoor
Ein echtes Highlight in Tamil Nadu ist die Zugfahrt von Ooty nach Coonoor, welche unter Einheimischen sehr beliebt ist. Ooty und Coonoor zählen zusammen mit Kodaikanal zu den drei berühmten Bergstationen des grünen Bundesstaates, wobei Ooty die größte – und zugegebenermaßen hässlichste – Stadt ist. Kodaikanal und vor allem Coonoor und Umgebung sind da doch um einiges schicker! Dennoch machen viele Inder in den drei kühlen Bergstationen Urlaub und lassen es sich beim Bootfahren, Reiten oder beim Schlemmen in westlichen Restaurants gut gehen. Doch nicht nur deswegen kommen sie hier her, auch sie wollen nebenbei einen kleinen Geheimtipp absahnen: Die Fahrt mit dem alten, historischen Klapperzug mit den riesigen Fensterfronten, die einen in einem atemberaubenden Tempo von maximal 40km/h in etwa eineinhalb Stunden von Ooty nach Coonoor bringt.
Um mit dem Zug, der täglich um 9.00 Uhr abfährt, mitfahren zu können, musste ich mich bereits um 6.00 Uhr an den Ticketschalter stellen und neben bereits zehn, in dicken Winterklamotten eingepackten, indischen Touristen (es waren 15 Grad, was selbst für mich als Nordeuropärin echt viel zu kalt ist) warten. Doch alle waren vorbereitet: Es gab Tee, indisches Fernsehen auf dem Smartphone und Andenkenbilder mit der einzigen, weißen Person – mit mir. So vergingen die drei Stunden Wartezeit wie im Flug, und als der Ticketschalter geöffnet wurde, war ich super glücklich, so früh gekommen zu sein: Die Schlange war so lang, dass nicht mal die Hälfte der Wartenden ein Ticket bekommen konnte. Die für 20 Rupien günstigen Tickets (29 Cent), sind limitiert und nachdem das letzte Ticket verkauft wurde, knallte der grimmig drein schauende Bahnhofsmitarbeiter in typisch indischer Mentalität einfach die Gitterjalousie runter und ging.
Die gemütliche Zugfahrt mit lauter ausgelassenen und fröhlichen Menschen führte uns durch traumhafte und sattgrüne Wälder, tiefe Täler mit bunten Häusern, vorbei an friedlich grasenden Kühen und diesen atemberaubenden Teefeldern! Diese erwarten Dich vor allem nach Ankunft in Coonoor, wo Du die Möglichkeit hast, Einzel- oder Gruppentouren zu buchen, die Dir die Umgebung zeigen. Für 10 bis 15 Euro wirst Du den ganzen Tag durch diese atemberaubende, sattgrüne Landschaft kutschiert: Dich erwarten dichter Dschungel, Aussichtsplattformen, Wasserfälle und natürlich Teefelder! Und weil so viele Einheimische Touristen kommen, ist die pittoreske Umgebung Coonoors von Müll befreit und für indische Verhältnisse ziemlich ruhig. Absolut sehenswert!
Thanjavur
Thanjavur ist mit seinen etwa 250.000 Einwohnern genauso groß (oder für Indien eher klein) wie Pondicherry und ist das historische Herzstück Tamil Nadus. Unter anderem war Thanjavur vom 9. bis zum 11. Jahrhundert Hauptstadt des Chola-Reiches, was eines der bedeutendsten Königreiche in Südindien war. Gut erhalten aus dieser Zeit ist der Brihadishvara-Tempel, der 1010 auf dem Höhepunkt der Macht der Chola-Dynastie errichtet wurde und heute die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt ist.
Nebenbei ist Thanjavur seit Jahrhunderten das Zentrum der Kunst: klassische, süd-indische Musik und auch Tanz wurden bereits von der Chola-Dynastie gefördert, wobei sich die anschließend regierenden Dynastien im 18. Jahrhundert besonders für die Miniaturmalerei interessierten. Lange Zeit lebte auch ein Großteil der bedeutendsten Musiker aus Süd-Indien in der Stadt. Ich finde, das ist besonders im Stadtzentrum zu sehen, denn dort finden sich ein paar pittoreske, kleine Gässchen mit bunten Tempeln und wunderschön gemalten Bildern und anderen Kunstwerken.
Das Highlight der Stadt ist aber ganz klar der am Stadtrand Brihadishvara-Tempel, den ich wirklich sehr beeindruckend fand! Dieser ist der Gottheit Shiva gewidmet und wird dem süd-indischen Dravida-Stil zugeordnet, der simpel gesagt eine mittelalterliche, hinduistische Tempelbaukunst bezeichnet. Seit 1987 ist der Tempel Weltkulturerbe der UNESCO – zurecht, wie ich finde. Der Tempel ist symmetrisch errichtet worden und beherbergt unter anderem die drittgrößte Nandi-Statue Indiens, eine 3,5 Meter hohe Linga im Allerheiligsten und die 61 Meter hohe Vimana, die auch uns bekannt sein dürften: das sind die für Hindu-Tempel bekannten Tempeltürme, die auch charakteristisch für den Dravida-Stil sind. Besonders auffallend: der Tempel hat all seine Farbe verloren, was ihn zugleich aber auch wieder einzigartig macht. Neben dem Brihadishvara-Tempel beherbergt Thanjavur noch viele andere, kleine Tempel und verdammt viele Kuhherden.
Chennai
Meinen ersten Eindruck von der 6,5 Millionenmetropole Chennai bekam ich bei meiner ersten, 5 Rupien „teuren“ (unter 1 Cent) Fahrt ins Zentrum. Ich erinnere mich noch genau an die für indischen Städte tiefschwarzen Flüsse, Slums und diese vielen Raben und Raubvögel, die über den Müllbergen kreisten, als mir der Fahrtwind durch die nicht vorhandene Zugtür um die Nase wehte. Besonders die Vögel am Himmel sind so Indien, mehr geht nicht! Irgendwann erblickte ich am Horizont rote Türmchen – ich näherte mich dem Fort St. George, um welches herum Chennai 1640 während der britischen Kolonialzeit gebaut wurde und welches auch zugleich das Wahrzeichen Chennais ist.
Das Fort wird heute noch von der Armee genutzt und beherbergt neben einem Museum und einer Kirche auch das Parlament des Bundesstaates von Tamil Nadu. Apropos Kirchen: aufgrund der britischen Kolonialzeit finden sich hier echt viele Kirchen. Kirchenfans kommen hier voll auf ihre Kosten! Chennais Charme besticht neben dem Fort mit guten Pure Veg Restaurants, niedlichen, indischen Shops und den gewohnten Ziegen- und Kuhherden, die überall mit den Menschen leben und wird für mich auch immer in guter Erinnerung bleiben, weil ich dort meine erste, indische Hochzeit mitfeiern durfte. Lediglich der Marina Beach war eine absolute Enttäuschung, da indische Strände außerhalb von Goa oder Kerala, wo extra für Reisende aufgeräumt wird, aufgrund der erheblichen Vermüllung wirklich nicht empfehlenswert sind. Aber auch das gehört irgendwie zu Indien dazu, oder?!
Madurai
Das 450 Kilometer von Chennai entfernt liegende Madurai zählt für mich definitiv zu den indischen Städten, die nicht mehr als „Indien light“, sondern als „medium“ durchgehen. Aus dem Bus ohne Türen und Fenster ausgestiegen, erteilte mir die Großstadt gleich eine Lektion: extremer Lärmpegel wie nachmittags in Ost-Bombay, Verkehrschaos, zu viele Menschen auf einem Fleck und zu viele Leute, die etwas verkaufen oder quatschen wollten. Und ich hatte bei der fünf Minuten Pinkelpause nicht mal Essen gekauft… Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass hungrig oder müde immer ganz schlecht in Indiens Öffentlichkeit ist. Da kann die Geduld schon mal verloren gehen…
Madurai mit seinen 1 Million Einwohnern zählt zu den ältesten Städten Südasiens und blickt auf über 2000 Jahre Geschichte zurück. Gerade deswegen ist die chaotische Stadt auch heute noch sehenswert: während der Zeit der Pandya-Dynastie vom 12. bis zum 13. Jahrhundert wurde der spektakuläre Minakshi-Tempel errichtet, dessen heutige Gestalt jedoch aus der Nayak-Herrschaft vom 15. – 17. Jahrhundert stammt. Er ist ein Meisterwerk dravidischer Tempelarchitektur ist und dominiert das Stadtbild mit seinen riesigen, bunten Tortürmen von allen Seiten. Der über sechs Hektar große Tempelkomplex wurde – anders als bei anderen Hindu-Tempeln – der Göttin Minakshi gewidmet und besticht nicht nur mit seinen herausragenden, bunten Tortürmen, sondern auch mit seinen riesigen Säulenhallen und einem Tempelteich. Die bis heute so leuchtenden Farben haben mich vor allem fasziniert, denn genauso habe ich mir meine Indien-Reise immer vorgestellt. Und während ich mit den in bunten Sarees bekleideten Menschenmassen in Richtung Tempel laufe, bin ich unendlich glücklich – Indien ist wahrhaft ein wunderschönes Land!
Warst Du mal an einem der Orte in Tamil Nadu? Wie hat es Dir gefallen?
Deine Jacqui
Jacqui lebt seit 2015 rund um die Welt und bloggt auf Weltgefühle über Work and Travel und Langzeitreisen und inspiriert ihre Leser*innen mit Reiseberichten, persönlichen Herzensgedanken und Tipps und Tricks zur Reiseplanung.
Indien Überblick:
Die Würfel sind gefallen: Indien it is – Reiseroute Indien – Rucksack packen – Delhi Ankunft – Delhi Sightseeing – Mandawa – Bikaner – Jaisalmer – Jodhpur – Ranakpur – Udaipur – Pushkar – Jaipur: Stadt & Affentempel – Fatehpur Sikri – Agra & Taj Mahal – Haridwar & Rishikesh – Amritsar: Stadt / Goldener Tempel / Wagah Border – Varanasi: Stadt / Sarnath / Ganges River Tour – Goa – Auf Indiens Straßen – How to survive incredible India – Indien: Der Süden
aras1orhon
Juni 22, 2017 @ 3:43 pm
klar, Madurai haben wir natürlich nicht ausgelassen. Architektur und Design der Tempel dort sind einfach abgefahren. Übrigens, man kommt jetzt direkt zu Deiner Webseite, wenn man unsere Antwort auf Deinen Kommentar zu Indien bei uns liest.
Gruss von der Wegsite
Manu
Juni 22, 2017 @ 4:42 pm
Wundervoll, danke! 😉